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Visite bei Vollmond

Visite bei Vollmond

Titel: Visite bei Vollmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassie Alexander
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verschwunden.«
    Ich musste an all das Geld
denken, das ich ihm gegeben hatte, als er sich nach meiner Verletzung um mich
»gekümmert« hatte. Offenbar hatte er davon mehr als nur sein Mittagessen
gekauft.
    Â»Und seit ich herausgefunden
habe, an wen ich mich wenden muss, um es selbst zu verkaufen und mir meinen
Anteil zu sichern … läuft es einfach fantastisch! Endlich habe ich Geld. Ich
will gar nicht mehr high werden, jetzt geht es mir nur noch um High
Performance!« Ich sah, wie seine Augen in seliger Erinnerung aufleuchteten.
»Gott, so gut habe ich mich nicht mehr gefühlt, seit ich Wettkämpfe gelaufen
bin.«
    Â»Das ist ewig her, Jakey. Wir
sind nicht mehr in der Highschool.«
    Â»Aber es fühlt sich genau
gleich an: Ich will sehen, wie weit ich komme. Und wie gut ich sein kann. Genau
wie damals beim Laufen.«
    Jake wäre nicht der erste
Junkie, der eine Sucht aufgab und sie dann durch eine andere ersetzte. Ich
hatte schon Süchtige gesehen, die sich erst die Nasenscheidewand weggekokst
hatten und dann süchtig wurden nach teuren Schuhen, weil das Kokain seinen Reiz
verloren hatte. Sie brauchten immer irgendetwas, um dieses brennende Verlangen
zu stillen.
    Â»Versuch es mal, nur ein
Fläschchen. Es wird dir gefallen, das schwöre ich.« Und da war er wieder, und
versuchte, mich zu überzeugen. Ich konnte mich noch gut daran erinnern, wie er
mir das erste Mal eine volle Bong in die Hand gedrückt hatte, und wie er mich
ausgelacht hatte, als ich beim Rauchen husten musste.
    Â»Weißt du, Jake …« Ich stellte
das Fläschchen wieder auf den Tisch. »Ich freue mich wirklich, dass es dir
jetzt besser geht, aber das ist einfach nicht mein Ding.«
    Â»Das Zeug hält mich davon ab,
mir den nächsten Schuss zu setzen, Edie. Es ist wie Zauberei.«
    Â»Na dann.« Ich musterte meinen
unfrisierten Burger. Es würde nichts bringen, ihm etwas zu verraten, also ließ
ich es. Ich führte den Burger zu meinem Mund und nahm einen großen Bissen – das
würde mich davon abhalten, überhaupt irgendetwas zu sagen, das ich später
bereuen könnte.
    Jake schüttelte seufzend den
Kopf. Als die Kellnerin wenig später mit den eingepackten Resten kam, nahm er
die Rechnung entgegen und war sogar so frech, direkt vor meiner Nase mit der
Frau zu flirten. Und sie machte auch noch mit.
    Ich versuchte, ihn durch ihre
Augen zu sehen – nicht als Kunden, den es zu bedienen galt, sondern als
Menschen. Er wirkte aufgeräumt. Verdammt, er sah richtig gut aus. Er hatte die
gleichen braunen Augen wie unser Vater, und auch wenn seine dunklen Zotteln
einen Haarschnitt vertragen konnten, verliehen sie ihm markante Züge, was in
dieser Stadt echt selten war. Sich jeden Winter einzubunkern machte die Leute
hier weich. Er hingegen wirkte so, als könnte er gut mit einem Football oder
zumindest einem Laubrechen umgehen. Schließlich bezahlte er unser Essen in bar
und gab, ganz wie ein richtiger Erwachsener, ein ordentliches Trinkgeld.
    Luna Lobos hin oder her – ich
war beeindruckt. Und verdammt froh, dass ich mich mit Pommes vollstopfen
durfte.
    Â»Hier, Edie, behalte das. Nur
für den Fall, dass du deine Meinung änderst«, sagte Jake, als wir gehen
wollten.
    Erst wollte ich protestieren,
doch dann erkannte ich, dass ich es satt hatte, mich mit ihm zu streiten. Jake
machte am Ende ja doch immer was er wollte. Gegen einen Verkäufer wie ihn
konnte ich nur verlieren. Ich wünschte mir nur, er hätte diese Begabung schon
früher entdeckt.
    Â»Also schön.« Ich steckte das
Fläschchen ein, und wir gingen zurück zum Auto.

Kapitel 31
    Â 
    Wir
fuhren schweigend zum Depot. Ich konzentrierte mich auf die Straße – hier war
seit dem frühen Morgen nicht mehr geräumt worden, sodass es ziemlich glatt
werden konnte. Jake wirkte irgendwie überaus zufrieden, so als hätte er eine
Auseinandersetzung gewonnen, die ich gar nicht mitgekriegt hatte.
    Einen Block von dem
Obdachlosenasyl entfernt fuhr ich rechts ran, denn dort konnte ich
rückwärts-seitwärts einparken, ohne das Leben anderer oder ihr Eigentum zu
gefährden. Jakes Grinsen war trotz der spärlichen Straßenbeleuchtung deutlich
zu sehen.
    Â»Ach ja, was ich dich noch
fragen wollte: Kannst du für mich nachsehen, ob jemand bestimmtes bei euch im
Krankenhaus liegt? Raymond, du hast ihn an Weihnachten kurz gesehen.« Er
bemerkte

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