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Visite bei Vollmond

Visite bei Vollmond

Titel: Visite bei Vollmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassie Alexander
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funktionierten. Mit der
Cola in der Hand verließ ich den Pausenraum.
    Wenn ich mich bis
Schichtbeginn auf Y4 rumtrieb, würden sie mir sofort Arbeit
aufdrücken. Also stieg ich wieder in den Fahrstuhl und fuhr auf die
Unfallintensiv.
    Wenn ich im Computer
Patientendaten aufrief, um Jakes Bitte nachzukommen, würde es Ärger geben. Aber
mit meinem Dienstausweis konnte ich gründlich herumschnüffeln, solange die
Sichtfenster der Zimmer offen waren. Es konnte in der Klinik ja nicht besonders
viele Weiße mit Dreadlocks geben. Javier und Luz waren nicht mehr da, in dem
Zimmer lag nun eine Frau, deren Haut aufgrund von Leberversagen aussah, als
hätte sie billigen Selbstbräuner benutzt. Ich hätte wetten können, dass sie
ganz ähnliche Geräusche von sich gab wie Gideon. Javier befand sich
wahrscheinlich in einer guten Pflegeeinrichtung, und Luz war wohl immer noch
seine Stütze – blieb die Frage, wie lange noch. Sie war verdammt zäh, aber
junge Liebe hält nicht lang; behaupte ich, die sich weigert zuzugeben, jemals
verliebt gewesen zu sein.
    Schnell suchte ich die
einzelnen Zimmer der Intensivstation ab. Vergeblich. Aber da ich es immerhin
versucht hatte, war ich danach sehr zufrieden mit mir. Während ich auf den
Fahrstuhl wartete, schrieb ich Jake eine SMS : »Dein Freund ist nicht hier.« Bevor ich es
genauer durchdenken und bereuen konnte, fügte ich hinzu: »Denke noch über deine
Idee nach.«
    Schneller als ich es hätte
tippen können kam zurück: »Danke, Sissy. Schulde dir was.«
    Mal wieder. Der Fahrstuhl kam
und ich kehrte auf Y4 zurück.
    Durch meinen Ausflug an
die Grenzen des Datenschutzes hatte ich gerade noch genug Zeit, mich
umzuziehen, bevor meine Schicht begann.
    Meaty entdeckte mich, als ich
die Station betrat. »Ich habe gerade die Einteilung gemacht. Du bist wieder
hinten um die Ecke, Gina hat sich krankgemeldet.«
    Â»Ãœberrascht mich nicht.«
    Meaty hob fragend die
Augenbrauen, und ich schüttelte schnell den Kopf. »Egal.« Nach der Nacht, die
sie hinter sich hatte, konnte ich es Gina nicht übel nehmen, dass sie eine
Schicht ausließ. »Und mit wem arbeite ich?«
    Â»Rachel.«
    Als Meaty weitergegangen war,
zog ich eine Grimasse. Rachel war Tiermedizinerin und lebte nach dem Motto:
Vier Beine gut, zwei Beine schlecht. Sie arbeitete sonst immer an den
Wochenenden, an denen Charles und ich freihatten. Und wenn Rachel und wir doch
mal eine Schicht zusammen hatten, war sie mir sehr zurückhaltend vorgekommen –
fast hatte ich den Eindruck, sie könne uns nicht ausstehen. Acht Stunden in den
Wergehegen und niemand zum Reden außer ihr – ich war in der Hölle.
    Als hätte der Klang ihres
Namens sie herbeigerufen, schwang die Doppeltür zu den Gehegen auf, und Rachel
erschien. »Ich brauche Hilfe mit den Besuchern, Edie.«
    Ich war erst einmal überrascht,
dass sie meinen Namen kannte. Dann zögerte ich kurz, weil ich dachte, dass sie
ihrer Beschwerde noch irgendetwas hinzufügen würde, bis mir klar wurde, dass
dies bereits der Inhalt ihrer Beschwerde war: Besucher. Vor dem Zimmer eines
Patienten. Ich nickte. »Bin gleich da.«

Kapitel 32
    Â 
    Rachel
stand mit Lynn zusammen, der Schwester von der Nachmittagsschicht, und warf
immer wieder bedeutungsvolle Blicke auf Helen, die in der Nähe wartete. Sie
trug von Kopf bis Fuß Trauer, doch das Schwarz stand ihr nicht besonders gut,
es machte sie nur blass.
    Â»Hallo«, begrüßte ich sie mit
einem Lächeln. »Sollen wir uns einen Kaffee holen?« Sie war ein hochrangiger
Werwolf; aber vielleicht nicht die Richtige, die ich um Zuflucht bitten konnte.
Außerdem waren keine anderen Werwölfe zu sehen. Ich fragte mich, wie viele von
ihnen überhaupt Zeugen dieses Akts werden mussten, damit sich die offizielle
Zufluchtsmaschinerie und das Spiel von öffentlicher Demütigung und Scham in
Gang setzt. Was Scham anging, kannte ich zumindest keine.
    Ich beobachtete wie Helen, die
mit den Gedanken offenbar weit weg war, langsam den Blick auf mich richtete.
»Hmm? Oh, Sie sind das. Ich glaube, ich kenne nicht einmal Ihren Namen.«
    Â»Edie.« Ich streckte die Hand
aus.
    Â»Helen«, erwiderte sie, was ich
natürlich bereits wusste. Ihr Händedruck war warm, aber schlaff. Rachel wedelte
hinter ihrem Rücken mit den Fingern, als wollte sie uns zur Seite schieben.
»Verpassen wir hier auch

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