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Visite bei Vollmond

Visite bei Vollmond

Titel: Visite bei Vollmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassie Alexander
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»Ich nehme es dir nicht
übel, dass du wütend auf mich bist. Aber ich möchte, dass du weißt, dass ich
frischen Wind in mein Leben gebracht habe.«
    Angesichts der Tatsache, dass
wir mitten im Winter höchstens eiskalten Wind erwarten konnten, war das
ziemlich ironisch. »Inwiefern?«
    Â»Zunächst einmal lade ich dich
heute zum Essen ein, und dann werde ich ab nächsten Monat für meine Hälfte der
Handyrechnung aufkommen.«
    Ich spitzte nachdenklich die
Lippen. Wären wir normal gewesen, hätte ich mich über so etwas gefreut und es
als Zeichen dafür gesehen, dass mein Bruder langsam wieder auf die Beine kam.
Aber wenn ich eines von Jake gelernt hatte, dann die Tatsache, dass alles immer
einen Haken hatte. »Wie kannst du dir das leisten?«
    Jake zuckte gelassen mit den
Schultern.
    Â»Nein, Jake, es ist mir ernst.
Ich muss das wissen.«
    Â»Ich habe in letzter Zeit eben
hart geschuftet.«
    Â»Ein gutes Thema, Jake.« Ich
konnte meinem Bruder schwerlich verbieten, seine Zeit mit anderen Obdachlosen
zu verbringen – nur im Fall von weißen Jungs mit Dreadlocks, die wahrscheinlich
mit Drogen dealten. »Was genau machst du eigentlich?«
    Â»Dies und das.«
    Â»Du verkaufst Drogen«, riet ich
und wollte mich schon von der Bank erheben. War das der richtige Moment, um ihm
eine Szene zu machen? Gab es dafür überhaupt einen richtigen Moment? Jake hatte
ja schon eine Menge Dinge getan, die mich abgestoßen hatten, aber das hier war
definitiv der dickste und allerletzte Tropfen in dem berühmten Fass.
    Â»Nein, nur
Nahrungsergänzungsmittel.«
    Â»Ach, ist das der neue Name dafür?«
    Er atmete tief durch. »Ich
wusste, dass du ein Problem daraus machen würdest, Edie.«
    Â»Tut mir leid. Ich bin froh,
dass es gut für dich läuft. Aber wenn du dein Geld damit verdienst, dass du
Drogen vertickst, und mich dann mit diesem Geld zum Essen einladen willst, kann
ich das einfach nicht akzeptieren.«
    Â»Es sind keine Drogen«,
protestierte er. Ich stand auf, und er erhob sich ebenfalls. Die anderen Gäste
starrten uns schon an. »Warum kannst du nicht einfach mal an mich glauben?«
    Â»Fragst du mich das im Ernst?«
Meine Stimme wurde immer lauter.
    Er streckte mir bittend die
Hände entgegen. »Du musst einfach an mich glauben, nur noch dieses eine Mal.«
    Ich war hin- und hergerissen:
Sollte ich weglaufen oder mich in seine Arme werfen? Ich holte tief Luft und
setzte mich wieder.
    Â»Nur Nahrungsergänzungsmittel«,
wiederholte ich, um mich selbst zu überzeugen.
    Er nickte. »Die sind total
beliebt. Und ich werde die nächste Handyrechnung übernehmen, die ganze
Rechnung, nicht nur meine Hälfte. Das bin ich dir schuldig.«
    Â»Okay.« Die Bestätigung galt
ebenso ihm wie mir. »Okay.«
    Unser Essen kam. Jake
klappte seinen Burger auf, griff unter meinem wachsamen Blick in seine Tasche
und holte ein Glasfläschchen hervor.
    So etwas hatte ich schon einmal
gesehen – Luna Lobos. Das Zeug, das Luz angeschleppt hatte und Javier einflößen
wollte. Jake zog die Kappen ab und schüttete den Inhalt auf seinen Burger, wo
die Flüssigkeit sich über dem Käse verteilte. Er bemerkte, wie ich angewidert
die Lippen verzog. »Hey, das ist total legal und außerdem gesund.« Mit der
großen Geste eines Bühnenmagiers legte er die obere Hälfte des Brötchens zurück
auf den Burger, dann holte er ein weiteres Fläschchen aus seiner Tasche und
stellte es vor mich hin.
    Â»Was ist da drin? Vitamine und
Scheibenklar?«
    Â»Eher Vitamine und Koffein.« Er
biss grinsend in seinen Burger. »Weißt du, Edie, ich glaube, dieses Zeug hat
dafür gesorgt, dass ich mein Leben wieder im Griff habe.«
    Â»Wie das denn?« Ich nahm das
Fläschchen und musterte durch das bläuliche Glas hindurch Jakes Gesicht. In der
Flüssigkeit schwammen ein paar dunkle Körnchen, die mich an Pfeffer erinnerten.
    Â»Es ist einfach alles so viel
leichter geworden, seit ich …«, er war wohl nicht sicher, welches Verb er
einsetzen sollte, und suchte nun nach einem, das mich nicht aufregen würde. »… diese äußerst vielseitige Geschäftsmöglichkeit ergriffen habe.«
    Â»Ah ja.«
    Â»Ich verspüre nicht mehr diese
Begierden, nicht so wie früher. Sobald ich eines dieser Fläschchen gekauft und
eingenommen hatte, waren sie alle

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