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Visite bei Vollmond

Visite bei Vollmond

Titel: Visite bei Vollmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassie Alexander
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meinen fragenden Gesichtsausdruck und fuhr so schnell fort, dass ich
nicht reagieren konnte: »Er ist letzte Nacht nicht in die Unterkunft
zurückgekommen, und jetzt mache ich mir Sorgen, dass ihm etwas zugestoßen sein
könnte.«
    Â»Dass er ins Kreuzfeuer der
Nahrungsergänzungsmittelkriege geraten sein könnte?«, fragte ich sarkastisch.
    Â»Oder erfroren, nachdem ihn
irgendwelche Collegearschlöcher zusammengeschlagen haben«, erwiderte Jake nicht
weniger spöttisch.
    Â»Ich werde die Augen offen
halten.«
    Â»Alles klar.« Wir umarmten uns
quer über den Vordersitz hinweg, was durch die dicken Jacken und mangels Übung
etwas unbeholfen ablief. »Weißt du, Edie …«, er schaute aus dem Fenster, »… mit
dir zusammenzuwohnen war gar nicht so übel.«
    Da der Motor aus war, gab es
kein Licht im Auto, wofür ich jetzt dankbar war – so konnte er meine
Begeisterung zum Glück nicht an meinem Gesicht ablesen.
    Â»Diesmal könnte ich sogar Miete
zahlen«, fuhr er fort. »Ich weiß, dass bei dir momentan nicht alles rundläuft –
ich habe zwar keine Ahnung, wieso, aber du kannst es nicht vor mir verbergen.
Ich meine ja nicht, dass du mich in den Mietvertrag aufnehmen sollst oder so,
aber ich könnte die Hälfte der Miete zahlen. Und wir könnten wieder alles
teilen …«
    Sofort fielen mir tausendundein
Grund ein, warum das eine dumme Idee war – ganz abgesehen davon, dass sich ein
Cyborg und ein schlafender Vampir vorübergehend bei mir einquartiert hatten.
Wenn Jakes aktuelle Geschäfte den Bach runtergingen und er nicht mehr flüssig
war, würde er doch wieder anfangen, andere, schlimmere Sachen zu nehmen und zu
verkaufen … und dann wäre ich wieder einmal die böse Schwester, die ihn rauswarf.
    Â»Ist nur ein Gedanke, Edie«,
sagte Jake.
    Nur ein Gedanke, aber trotzdem
schmerzhaft. »Tut mir leid, Jake. Ich muss erst mein eigenes Leben in den Griff
kriegen.«
    Â»Klar, versteh schon.« Er rieb
mir spielerisch mit den Fingerknöcheln über den Kopf, als wären wir wieder
Kinder, dann öffnete er die Beifahrertür. Ein Schwall Winterluft kam herein und
schnürte mir fast die Brust zu. Ich schickte ihn in die Kälte hinaus. Mal
wieder. »Mach’s gut, Sissy.«
    Â»Mach’s gut, Jake.«
    Ich beobachtete, wie er
ausstieg und die Straße hinunterging – und mir brach das Herz dabei.
    Von hier aus wäre es eigentlich
nicht weit gewesen bis zum Freeway, aber ich war nicht ganz bei der Sache und
verpasste die Abzweigung. Nicht zum ersten Mal wünschte ich mir, ich könnte
Jake einfach alles sagen. Dass ich ihm wieder vertrauen könnte, wie in unserer
Kindheit. Aber die Vergangenheit konnte ich nun mal nicht ändern, und die
Zukunft war im Moment extrem ungewiss. Statt nach links bog ich deshalb dreimal
rechts ab und kam so wieder am Depot vorbei.
    Ich passierte das Gebäude im
Schritttempo, um nach Jake Ausschau zu halten. Das Erdgeschoss hatte eine
breite Glasfront und war hell erleuchtet. Und hoffentlich warm und sicher.
    Â»Hey!«
    Obwohl alle Fenster zu waren,
hörte ich den Schrei. Erschrocken schaute ich mich um, auch wenn ich ziemlich
sicher war, dass er nicht mir galt.
    Â»Hey!«
    Er rannte auf der anderen
Straßeseite auf mich zu – der Mann mit dem Filzhut. Viktor, der Werwolf von
neulich. »Hey!«, schrie er wieder und winkte mit beiden Armen, als wollte er
ein Taxi anhalten.
    Ich trat aufs Gas und wollte
ihm davonfahren, aber mein Chevy zog nicht besonders gut. Während der Wagen
loskroch, rannte Viktor vom Bürgersteig quer über die Straße. Ich musste eine
Vollbremsung machen, um ihn nicht zu überfahren, dann legte ich den
Rückwärtsgang ein und fuhr ohne hinzusehen rückwärts die Straße hinunter.
    Â»Ich will nur mit Ihnen reden!«
Jetzt joggte er neben dem Wagen her und klopfte auf die Motorhaube. Und
hinterließ Dellen.
    Â»Herr im Himmel!« Ich stützte
mich am Beifahrersitz ab und drehte mich um. Hinter mir tauchte eine Gasse auf.
Ich war zwar kein Stuntman, aber …
    Â»Ich will nur reden!«
    Ich riss das Steuer herum und
konnte lediglich beten, dass kein Gegenverkehr auftauchen würde. Mein Auto
rutschte mit einer Drehung in die Gasse, ich schaltete in den ersten Gang und
gab Vollgas. Im Rückspiegel sah ich, wie Viktor mir durch das düstere Sträßchen
folgte,

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