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Visite bei Vollmond

Visite bei Vollmond

Titel: Visite bei Vollmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassie Alexander
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ich, auch wenn sie
momentan wahrscheinlich in Blut badete.
    Â»Was kann ich tun, um Ihr
Vertrauen zu gewinnen?«, drängte er.
    Plötzlich kam mir dieses kleine
Wohnzimmer vor wie eine Falle, in der ich keinen Schutz hatte außer meiner
Gürtelschnalle. Und ich trank etwas, das er zubereitet hatte – vielleicht hatte
er irgendwelche Drogen reingetan oder Gift oder …
    Â»Ganz ruhig.« Er streckte
abwehrend die Hand aus. »Ich wollte Sie nicht erschrecken. Sie sind hier
sicher, das schwöre ich.«
    Misstrauisch schaute ich ihn
an. »Sind die Versprechen von Werwölfen wie die von Vampiren?«
    Er grinste verschmitzt. »Kommt
auf den Werwolf an.« Diesmal klingelte sein Handy. Er überprüfte die Nummer und
drückte den Anruf weg. »Tut mir leid, schon wieder Jorgen. Ich muss es anlassen
wegen der Putzkolonne, aber ich habe jetzt keine Lust auf Jorgens Predigten.«
    Ich konnte mir gut vorstellen,
wie Jorgen in der Gestaltwandlerbar stand, entdeckte, dass Lucas nicht da war,
und vor Wut schäumte. »Ich verstehe einfach nicht, warum Sie ständig kämpfen
müssen.«
    Â»Um zu beweisen, dass ich zum
Anführer tauge. Wenn sie mich in der einen Nacht nicht besiegen konnten,
erwischen sie mich vielleicht in der nächsten. Eigentlich ist es kein Kampf,
sondern eine Show. Als Mensch bin der Magier und als Wolf das Kaninchen. Wie
oft werde ich es noch schaffen, es aus dem Hut zu zaubern?« Lucas legte das
Handy weg. »Es ist schon ein Wunder, dass Winter so enorm alt geworden ist.«
    Fasziniert beugte ich mich vor.
»Kostet es Überwindung, sich zu verwandeln?«
    Â»Sie meinen, ob ich meinen
Stolz überwinden muss? Nein. Einer der Tiermediziner, mit denen Sie
zusammenarbeiten, hat Ihnen das doch sicher erklärt.« Er sah mich fragend an,
doch ich wartete nur schweigend auf eine Antwort. »Jede Verwandlung kostet uns
Lebenszeit. So als würde man in das große Stundenglas greifen, das Gott einem
gegeben hat, und einzelne Sandkörner herausrieseln lassen.«
    So hatte ich mir das nicht
vorgestellt, als Gina es mir erklärt hatte. Irgendwie wirkte es so viel
schrecklicher. »Ist es das wert?«
    Â»In den Nächten, in denen es
nicht nur Show ist, und man sich da draußen befindet, wie es einem bestimmt
ist, schon. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie Furcht einflößend es für den
kleinen Fenris im Krankenhaus gewesen sein muss, ohne Rudel, an diesem
fremdartigen Ort. Aber draußen in der Natur, im eigenen Revier, ist es
herrlich. Dann spürt man, dass es uns eigentlich bestimmt ist, diese andere
Form zu haben. Auf vier Pfoten.« Er deutete mit dem Kinn auf mich. »Was hat es
Sie gekostet, Krankenschwester zu sein?«
    Â»Meinen Verstand, drei Jahre
Ausbildung und jede Menge Studiendarlehen.«
    Â»Nicht im wörtlichen Sinne. Ich
meine, zahlt es sich aus?«
    Â»Ha.« Jetzt starrte ich in
meinen fast leeren Becher. »Meistens zieht man sich den Zorn der Leute zu. Sie
haben etwas erfahren, das sie nicht wissen wollten, und man kann nichts daran
ändern. In vielen Nächten sterben sie einem unter den Händen weg, und man kommt
sich vor, als würde man Felsbrocken einen steilen Hügel hinaufrollen.«
    Â»Und wenn alles gut geht?«
    Darüber musste ich erst
nachdenken. »Das passiert nicht so oft wie ich es gern hätte.« Das letzte Mal
bei seinem Onkel, als er auf der Straße lag und wir ihn retten konnten, aber
das konnte ich Lucas nicht sagen. Denn manchmal machte man alles richtig, und
es ging trotzdem nicht gut aus. »Wenn man weiß, dass man etwas schaffen kann,
auch wenn man Angst davor hat – das ist gut. Aber in den Zeiten dazwischen gibt
es jede Menge Papierkram. Und den ein oder anderen Besoffenen, der einen
anbrüllt.«
    Lucas schnaubte abfällig. »Mein
Vater war ein Trinker.«
    Â»Wirklich?«
    Â»Ja. Ich habe nie
herausgefunden, was zuerst da war: der Alkohol oder das Arschloch. Die hier hat
er mir verpasst.« Er strich mit dem Finger über seine gebrochene Nase. »Er
meinte, wenn ich mich in einen Wolf verwandeln würde, um sie zu heilen, würde
er mir den Arm ausreißen und mich damit verdreschen. Und ich habe ihm
geglaubt.«
    Â»Wie alt waren Sie da?«
    Â»Fünfzehn. Ihm war es immer
lieber, in Menschengestalt gegen mich zu kämpfen. Er sagte, der Wolf würde
schon wissen was er zu tun hätte, wenn die Zeit käme

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