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Vita Nuova

Vita Nuova

Titel: Vita Nuova Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brrazo
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weinendes Kind.
    Er glaubte nicht, dass er hier würde einschlafen können, schon gar nicht, wenn er an das Stockwerk obendrüber dachte. Ob sich dort wohl noch immer Perverse mit Sonderwünschen amüsierten? Immerhin drang kein Laut von dem, was dort oben vor sich ging, zu ihm herunter. Die Zimmerdecke war mit kleinen Wolken verziert, und rund um den Kronleuchter hielten rosafarbene Engel Blumen in der Hand und schwangen blaue und goldfarbene Bänder. Und über dem Stockwerk für die Kundschaft mit den Sonderwünschen hockten zwei Kinder in einer Dachkammer. Kannten sich die beiden? Trösteten sie einander? Bestimmt waren sie entführt worden.
    Besser, er versuchte endlich einzuschlafen. Morgen stand ihm ein langer, schwieriger Tag bevor. Er schaltete die blumenförmige Nachttischlampe aus und rührte sich in der Dunkelheit nicht mehr.
    Eine Stunde später lag er noch immer stocksteif da, redete sich tapfer ein, er sei im Begriff einzuschlafen. Wenn dieses Haus auch kein offizielles Hotel war, so registrierte er doch all die typischen Hotelgeräusche, ständig wurde irgendwas ein- beziehungsweise ausgeschaltet – und dann dieses anhaltende Gebrumme. Wahrscheinlich die Klimaanlage. Guarnaccia hasste Klimaanlagen. Die Nebenhöhlen verstopften, und wie oft fing man sich einen Zug im Nacken ein, der dann meist mit höllischen Schmerzen einherging. Eine Weile lauschte er der verdammten Anlage, die ihn mehr und mehr nervte. Schließlich machte er Licht und stand auf, um sie auszuschalten. In dem Zimmer war es inzwischen viel zu kalt geworden, das Brummen stammte definitiv von der Klimaanlage. Selbst der seidenweiche Teppich unter seinen Füßen fühlte sich eiskalt an. Guarnaccia suchte und suchte, konnte den Regler der Anlage aber nicht finden. Natürlich hatten sie das verdammte Ding irgendwo versteckt, wie den Kühlschrank auch, damit das Gesamtbild des Zimmers nicht unnötig gestört wurde, wahrscheinlich saß das Ding unter irgendwelchen Bändern oder Spitzen. Warum zum Teufel war es nicht ganz einfach da, wo es hingehörte, neben der Tür bei den anderen Schaltern?
    »Nun ja, ich gehöre schließlich auch nicht hierher!«
    Unter einem halbrunden Tisch mit geschweiften Beinen, Kugelfüßen und eingelegten Kupferarbeiten entdeckte Guarnaccia schließlich den Lüftungsschacht, durch den ein kalter Luftstrom ins Zimmer geblasen wurde. Doch was hatte er von seiner gloriosen Entdeckung? Nichts, rein gar nichts, denn es gab keine Möglichkeit, das Ding zu verschließen. Guarnaccia beschloss, als letzte Möglichkeit nun auch noch das Bad abzusuchen. Wieder nichts. Inzwischen war er zum Eisklumpen gefroren. Besser, er kehrte ins Bett zurück und deckte sich gut zu. Ein warmer Pullover wäre jetzt nicht schlecht. Er machte das Licht aus, schaltete es aber nach fünf Minuten zähneklappernd wieder an.
    »Verdammt, jetzt reicht’s«, entschied er und marschierte ins Bad.
    »Nesti kann machen, was er will, ich verschwinde von hier, und zwar auf der Stelle.« Er machte sich ein wenig frisch, tupfte die Bartstoppeln mit dem kostbaren Spitzenhandtuch trocken, warf einen finsteren Blick in den Spiegel und kehrte zum Ankleiden ins Zimmer zurück. Zwanzig vor sechs.
    Der Morgen graute bereits, und die feuchte Luft duftete nach Gras und Kiefern. Er fand den Parkplatz wieder, auf dem sie in der Nacht die Autos abgestellt hatten. Es standen noch zwei andere da, große, dunkle Limousinen. Die feine, morgendliche Tauschicht ließ sie geisterhaft finster erscheinen. Der Parkplatzwächter hatte sich in einen kleinen Holzverschlag zurückgezogen und trank etwas aus einem Plastikbecher, wahrscheinlich Kaffee aus einer Thermoskanne. Der Maresciallo hätte zu gerne ebenfalls einen guten Kaffee gehabt, aber noch dringender wollte er einfach nur weg von dort. Auch sein Auto glänzte feucht vom feinen Morgentau. Guarnaccia nickte dem Wächter zu, als er an dem Holzhäuschen vorbeifuhr, aber der Mann starrte nur grußlos zurück.
    Auf der Autobahn nach Florenz fühlte sich der Maresciallo schon etwas wohler. Es wurde langsam immer heller, die Felder zu seiner Rechten und Linken schimmerten weiß. Die Augen brannten vor Müdigkeit. Gott sei Dank war nur sehr wenig Verkehr, selbst die Ringstraßen um Florenz waren noch ziemlich leer. Und statt stinkender Abgase hing ein frischer Duft nach Bäumen in der Luft. Er fuhr über die Porta Romana in die Stadt und kam endlich zu Hause an. Zuerst einen Kaffee, dann rasieren und duschen, und dann würde er

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