Vita Nuova

Das Foto war nur der Anfang. Leider würde sein Entlassungsgesuch so wirken, als hätte er sich tatsächlich etwas zuschulden kommen lassen, aber daran war jetzt nichts mehr zu ändern. Vielleicht sollte er sich besser einen Anwalt suchen. Er erwog all die Anwälte, die er in seiner langen Laufbahn kennengelernt hatte, aber keiner davon hatte ihn wirklich begeistert. Er hatte ja noch Zeit, denn er würde niemandem von der Sache erzählen, bevor nicht sein Entlassungsgesuch genehmigt worden war und der Oberstaatsanwalt in Genua seinen Bericht bekommen hatte. Wenn er erst einmal mit dem Capitano geredet und sich vergewissert hatte, dass alles seinen Gang ging, konnte er das Foto per E-Mail oder als Einschreiben verschicken. Er hatte keine Zeit mehr zu verlieren, Don Antonio hatte recht. Nesti, er konnte sich auf das Wort des Reporters verlassen … Piazza, der zwischen allen Stühlen saß, würde sich bedeckt halten, und Maddalena, die Cleverste von allen, würde jetzt ebenfalls schweigen und später eine beeindruckende Zeugin abgeben. Cristina war die einzige Schwachstelle, aber eine Schwachstelle genügte, wenn – Es klopfte an der Tür. Der jüngste seiner Männer, derjenige, den er vor Signor Palestri gerettet hatte, streckte seinen Kopf herein.
    »Was ist?« Beim Anblick des jungen, unschuldigen Gesichts verdeckte der Maresciallo rasch mit seiner großen Hand den Schnellhefter und das Foto.
    »Entschuldigen Sie bitte, ich weiß, dass ich keine Anrufe durchstellen soll, aber da ist jemand, der behauptet, sie hätten gesagt, er solle die Sieben-Null-Null anrufen. Es tut mir leid, aber ich dachte, ich überlasse besser Ihnen die Entscheidung, ob es wirklich so dringend ist, weil ich nicht verstehe, warum –«
    »Ist das Signora Nutis Anwalt?«
    »Hmm, ja, es ist ein Anwalt.«
    »In Ordnung, stellen Sie ihn durch.« Die arme Signora. Nach dem Gewitter …
    Auf jeden Fall schien der Mann zu wissen, was er tat.
    »Sie wissen doch, wie’s läuft, Maresciallo. Der Richter wird den Fall niederschlagen und Schadenersatz anordnen, aber damit ist der Frau nicht geholfen, solange die Ursache nicht behoben wird. Schadenersatz können wir einklagen, sobald der Grund des Übels beseitigt ist, aber zunächst brauche ich schlagkräftige Argumente, um einen Noteinsatz zu begründen. Die Signora sagt, Ihre Männer seien dort gewesen und könnten bestätigen, dass die verstopften Kanäle in der Straße die Ursache für das Wasser in ihrem Keller sind.«
    »Ich werde dafür sorgen, dass Ihnen umgehend ein Bericht darüber zugeht.«
    Der Mann schien Signora Nuti wirklich helfen zu wollen.
    »Die Frau leidet unter fortgeschrittener Arthritis, und wenn sie auf der feuchten Kellertreppe ausrutscht …«
    »Ich hoffe doch sehr, dass Sie sie davon überzeugen konnten, nicht in die Nähe dieser Treppe zu gehen. Ich habe es versucht, aber sie hat Angst, dass die Fundamente ihres Hauses Schaden nehmen könnten.«
    »Natürlich macht sie sich deswegen Sorgen … und ehrlich gesagt, wir haben gut reden, wenn wir ihr sagen, sie solle keine Wassereimer schleppen. Solange niemand da ist, der das für sie tut …«
    Wie gesagt, ein guter Mann. Vielleicht sollte er ihn um einen Termin bitten. Er könnte ihm seine allgemeine Lage erklären, ohne in Details zu gehen. Die Leute auf dieser Liste würden rücksichtslos alle Mittel und Wege nutzen, die ihnen zur Verfügung standen, um ihn weiter zu diskreditieren. Das Foto war nur ein harmloser erster Schuss vor den Bug. Vielleicht gab es noch eines von ihm, das ihn nackt im Hotelzimmer zeigte. Bestimmt half es, wenn er mit jemandem darüber redete, wenn er jemanden um Rat fragen konnte. Sollte er wirklich …?
    »Sie waren mir eine große Hilfe, Maresciallo, vielen Dank.«
    »Nicht der Rede wert. Aber ich würde gerne …«
    »Oh, tut mir leid. Ich will Sie wirklich nicht länger aufhalten, ich weiß ja, dass Sie Wichtigeres zu tun haben.«
    »Nein, nein, ich wollte nur …«
    »Tut mir wirklich leid, aber um bei der Wahrheit zu bleiben, auch wenn ich nicht noch mehr Ihrer kostbaren Zeit beanspruchen möchte … ich hätte Sie gerne noch in einer anderen Sache um Rat gefragt.«
    »Aha.«
    »Ich übernehme nur Zivilklagen, aber mein Neffe ist Strafverteidiger, und nach der neuesten Verordnung braucht er jemanden, der für ihn Ermittlungen übernimmt, Alibis und Aussagen überprüft und so … Ich hatte gedacht, dass Sie vielleicht jemanden kennen … Sie sollen sich deswegen nicht extra Mühe machen, ich