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Vita Nuova

Vita Nuova

Titel: Vita Nuova Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brrazo
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haben? Das würde der Capitano ihm sagen können …
    Maresciallo, der Dienststelle Toskana unterstellt, frühzeitig zum 26. Oktober diesen Jahres aus dem Dienst entlassen zu werden. Meine zukünftige Anschrift …
    Und jetzt? Er musste seine neue Adresse angeben, aber er hatte keine.
    Meine neue Adresse …
    Er durfte damit nicht länger warten, musste ihnen zuvorkommen, aus dem Dienst ausscheiden, bevor sie ihn versetzen konnten, und die Erfahrung zeigte, dass so eine Versetzung manchmal nur ein paar Tage brauchte. Ein Haus zu finden konnte lange dauern, länger als die dreimonatige Frist, die er einhalten musste.
    Meine neue Adresse lautet Noto, Syrakus …
    Er gab die Adresse seiner Schwester an. Er würde nach Hause zurückkehren.
    Florenz, 26. August …
    Er druckte den Antrag aus, unterschrieb ihn und steckte ihn ebenfalls in einen Umschlag. Den musste er persönlich seinem vorgesetzten Offizier übergeben, und darum würde er jetzt einen kleinen Spaziergang zum Hauptquartier machen. Er schaute zum Fenster hinaus. Draußen war es bereits hell geworden. Er schaltete die Schreibtischlampe aus und stand auf. Der Spaziergang würde ihm guttun, und er würde rechtzeitig zurück sein, um die Dienststelle zu öffnen.
    Der vom Regen noch feuchte Vorplatz war in blasses, rosa schimmerndes Morgenlicht getaucht. Weit und breit keine Menschenseele, nicht einmal ein Hund. Er ging den Anstieg hinunter und überquerte die leere Straße. Alle Scherengitter waren geschlossen. Die Sdrucciolo de’ Pitti war so eng und die Häuser so hoch, dass dort fast noch völlige Dunkelheit herrschte. Auf dem holprigen Pflaster hallten seine Schritte wider. Eine kleine schwarze Katze tauchte aus dem tiefen Schatten einer Tür auf, begleitete ihn ein Stückchen, glitt dann lautlos hinter ein anderes Gitter und verschwand. Er wandte sich nach rechts zum Arno und über den Ponte Santa Trinità. Da die Abgase des Verkehrs noch nicht die Luft verpesteten, konnte er den Fluss deutlich riechen. Doch heute schaute der Maresciallo nicht zum Wasserstandsanzeiger hinunter, sondern marschierte im gleichen Rhythmus weiter, bis er die Kaserne in der Via Borgo Ognissanti erreicht hatte.
    »Guten Morgen, Maresciallo.«
    Auch wenn die jungen diensthabenden Carabinieri ziemlich erstaunt sein mussten, ihn um diese Uhrzeit zu sehen, so verkniffen sie sich jede Bemerkung. Er reichte den Brief für den Capitano durch das kleine Fenster, nickte und trat den Rückweg an.
    Das war geschafft! Guarnaccia ging jetzt langsamer, das Atmen fiel ihm leichter. Es war noch immer sehr früh, als er am Arno entlangspazierte und den Ponte Vecchio ansteuerte. Die Sonne war aufgegangen, der graue und rosafarbene Morgenhimmel hatte einem strahlenden Blau Platz gemacht, das das Wasser des Flusses dunkelgrün schimmern ließ. Er hatte es immer sehr genossen, am Arno entlangzuspazieren. Vor Jahren hatte er mit Teresa nach dem Abendbrot hier einen kurzen Spaziergang gemacht, meist hatten sie auf der Bank auf der linken Seite eine Pause eingelegt, sich hingesetzt, geredet und die beleuchteten Prachtbauten und Türme gegenüber bewundert. Wie lange war der letzte Spaziergang wohl schon her? Irgendwann hatte es keinen Spaß mehr gemacht … zu viel Verkehr, zu viele Abgase. Neuerdings galt in den Sommernächten ein generelles Fahrverbot, aber die schöne Gewohnheit des Spazierengehens hatten sie schon lange davor aufgegeben … Wie die Zeit verging …
    Auf dem Ponte Santa Trinità hielt er kurz inne, rief sich die vielen Jahre in Erinnerung, die er nun schon in dieser Stadt lebte, während er den Arno hinauf zur ältesten Brücke mit dem Gewirr der kleinen Fensterchen schaute. Die Florentiner … ein komisches Völkchen, aber eines musste er ihnen lassen, an diesem ruhigen Morgen war es einfach wunderschön hier.
    Ein Junge kam auf einem Moped über die Brücke gefahren, zerschnitt mit lärmendem Getöse die Stille und unterbrach seinen Gedankengang. Der junge Mann genoss es offensichtlich, die Stadt ganz für sich zu haben, und ließ den Motor ein paarmal laut aufheulen. Erst als er den Maresciallo erblickte, ließ er schuldbewusst den Vorderreifen wieder auf die Straße sinken. Nun ja, er hätte es in dem Alter bestimmt auch so gemacht, wenn er ein Moped gehabt hätte. Der Lärm erstarb in der Ferne. Wie oft hatte er sich in all den Jahren über diesen Lärm beschwert, über das schreckliche Klima, über die stinkenden Abwasserkanäle aus dem Mittelalter, über die Touristen, die

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