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Vittorio

Vittorio

Titel: Vittorio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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sinnlicher Verwirrtheit, und ich bildete mir ein, das schimmernde Weiß ihrer Augen zu sehen, als sie mich anschaute.
    Ich hörte Bartola aufkreischen, dann auch Matteo. Ich wurde zu Boden gestoßen. Über mir loderte hell das Feuer.
    Die Gestalt hatte sie beide gepackt und hielt die strampelnden, schreienden Kinder fest in ihrem nur scheinbar zerbrechlich-zarten Arm. Dann blieb sie stehen, offensichtlich, um mich anzusehen, und rannte schließlich mit hoch erhobenem Schwert, das in ihrer anderen Hand lag, die Treppe hinauf, dem Feuerschein entgegen.
    Mit beiden Händen zog ich mein Schwert, eilte ihr hinterher, nach oben in die Kapelle, wo ich sah, dass sie offenbar mit Hilfe teuflischer Kräfte schon fast den Ausgang erreicht hatte - was eigentlich ein Ding der Un-möglichkeit war -, während ihre Gefangenen jammerten und nach mir riefen: »Vittorio! Vittorio!«
    Das Feuer schlug schon durch die hochgelegenen Fenster der Kapelle, selbst durch das Rosettenfenster über dem Kruzifix. Ich traute meinen Augen nicht: Diese junge Frau stahl mir meine Geschwister!
    »Bleib stehen, im Namen Gottes!«, schrie ich die Frau an. »Feiges Ding, nächtliche Diebesbrut!«
    Ich rannte ihr nach, doch zu meinem absoluten Erstau-nen blieb sie still stehen und wandte sich mir zu, um mich abermals anzublicken, und nun sah ich sie in ihrer ganzen edlen Schönheit. Ihr Gesicht war ein vollkommenes Oval mit großen, milden, grauen Augen, ihr Teint wie der feinste weiße Chinalack. Sie hatte rote Lippen, so perfekt, wie es ein Maler nicht hätte vollbringen können, und ihr langes aschblondes Haar wirkte im Licht des Feuers grau wie ihre Augen und fiel glänzend und gepflegt in einer schwingenden Mähne über ihren Rücken. Ihr Gewand, das zwar dunkle Flecken, sicherlich von Blut, aufwies, war von der gleichen weinroten Farbe, wie ich sie in der Nacht zuvor an den Kleidern des Übel wollenden Besuchers gesehen hatte.
    Mit einem sehr neugierigen, schließlich durchdringenden Ausdruck starrte sie mich an. In der rechten Hand hielt sie immer noch das erhobene Schwert, doch sie rührte sich nicht, und dann entließ sie meine zappelnden Geschwister aus ihrem kraftvollen Griff, so dass sie schluchzend zu Boden fielen.
    »Dämon! Hexe!«, brüllte ich. Ich machte einen Satz über die beiden hinweg und stürzte mich mit schwingendem Schwert auf die junge Frau.
    Doch sie wich so rasch aus, dass ich nicht einmal die Bewegung wahrnahm. Ich konnte nicht glauben, dass sie plötzlich so weit entfernt von mir war und mich und die beiden weinenden Kinder noch immer ansah, während sie ihr Schwert gesenkt hielt.
    Unvermittelt fuhr ihr Kopf herum. Ein hohler, schriller Schrei, eine Art Pfeifen erklang, dann noch einer und noch einer. Als spränge sie aus den Feuern der Hölle selbst, erschien plötzlich eine weitere rot gewandete Gestalt in der Kapelle, die in eine samtene Kapuze gehüllt und mit goldverzierten Stiefeln angetan war, und als ich mein Schwert gegen sie richtete, schleuderte sie mich zur Seite und schlug mit derselben fließenden Bewegung Bartola den Kopf ab und gleich darauf auch den des krei-schenden Matteo.
    Ich verfiel in Raserei. Ich heulte auf. Er stürzte sich auf mich. Doch von der Frau kam sofort ein eindeutiges Ver-bot: »Lass ihn in Ruhe!«, rief sie mit klarer, heller Stimme, und er machte sich davon, dieser Mörder, dieser verhüllte Unhold in seinen goldbesetzten Stiefeln, dabei rief er ihr über die Schulter zu: »Nun komm schon, bist du von Sinnen? Achte auf den Himmel! Komm, Ursula!«
    Sie rührte sich nicht. Sie starrte mich immer noch an. Ich schluchzte und fluchte, und indem ich mein Schwert fest packte, rannte ich abermals gegen sie an, und dieses Mal sah ich, wie meine Klinge niederfuhr und ihr den rechten Arm abhackte, direkt unter dem Ellenbogen. Der schlanke weiße Arm, der ebenso zart wie all ihre anderen Körperteile schien, fiel zusammen mit ihrem Schwert auf den gefliesten Boden. Blut schoss aus dem Stumpf.
    Sie tat nichts, schaute nur zu. Und dann blickte sie mich an, mit dem gleichen Ausdruck wie zuvor, forschend, traurig und beinahe untröstlich.
    Abermals hob ich das Schwert. Strega!, schrie ich, »He-xe!« und biss die Zähne zusammen, während ich mich bemühte, durch meinen Tränenschleier etwas zu sehen.

    »Hexe!«
    Doch mit einer Bewegung wie durch Teufels Hand, hatte sie sich von mir entfernt, weit entfernt, als würde sie von einer unsichtbaren Kraft gezogen, und nun hielt sie in der linken Hand ihre

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