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Vittorio

Vittorio

Titel: Vittorio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Waffen, dem nerzbesetzten Umhang und dem florentinischen Barett aus grünem Samt.

    4

    IN DEM ICH AUF WEITERE GEHEIMNISSE STOSSE, VERFÜHRT WERDE
    UND MEINE SEELE ZU ERBITTERTEM HELDENMUT
    VERDAMME

    Nun, ich habe es ja schon beschrieben, ich war zu sehr von Hass erfüllt, als dass ich noch hätte klar denken können, und das werden Sie sicherlich verstehen. Aber es war nicht eben klug, so reich gekleidet durch die Wälder der Toskana zu reiten, noch dazu ganz allein, denn in jedem Wald Italiens gab es natürlich auch Räuber. Andererseits, so zu tun, als wäre ich ein mittelloser Student, schien mir auch nicht die beste Wahl. Ich kann jedoch nicht behaupten, dass ich wirklich eine Entscheidung getroffen hätte, denn das einzige leidenschaftliche Gefühl, das ich aufbringen konnte, war das Verlangen, mich an den Dämonen zu rächen, die uns, meine Familie, vernichtet hatten.
    So ritt ich nun stetig bis zum frühen Nachmittag dahin, und nachdem ich unseren Turm schließlich aus den Augen verloren hatte, hielt ich mich möglichst an die Tal-straßen, doch immer wieder driftete ich auf die Gebirgshänge ab. Und die ganze Zeit über rang ich mühsam darum, nicht mehr wie ein Kind zu weinen.
    In meinem Kopf drehte es sich. Und die Umgebung ließ mir kaum Zeit und Gelegenheit, meine Gedanken zu sammeln. Nirgendwo hätte es einsamer sein können.
    Schon bald nach meinem Aufbruch kam ich in Sichtweite zweier großer zerfallener Burgen, deren Mauerkronen und Brustwehren schon der gefräßige Wald verschlungen hatte; mir wurde bewusst, dass die einstigen Herren dieser Befestigungen dumm genug gewesen waren, sich der Macht von Florenz oder Mailand zu widersetzen. Das genügte, mich an meinem Verstand zweifeln zu lassen, genügte, in mir die Idee zu wecken, dass meine Familie nicht von Dämonen ausgelöscht worden war, sondern dass uns ein ganz gewöhnlicher Feind angegriffen hatte.
    Wie bitter war es, die abgebrochenen Zinnen düster in den ansonsten so hellen und gleißenden Himmel ragen zu sehen und auf die überwucherten Trümmer der Dörfer zu stoßen, auf die zusammengesunkenen Hütten und an Kreuzwegen vergessene Heiligenschreine, in denen steinerne Marien- und Heiligenfiguren unter Spinnweben und Schatten versanken.
    Als ich auf einer entfernten Anhöhe eine gut befestigte Stadt ausmachte, wusste ich nur zu gut, dass sie zu Mailand gehörte und hütete mich, dorthin zu reiten. Ich hatte mich verirrt!
    Was Räuber anging, so traf ich nur auf eine kleine abge-rissene Bande, mit der ich es, ohne zu überlegen, auf-nahm, indem ich sie mit einem Wortschwall überschüttete. Zumindest gewährte mir dieser idiotische Haufen etwas Ablenkung. Mein Blut rollte so flink durch meine Adern wie die Worte über meine Zunge:
    »Ich reite einer Schar von hundert Männern voraus«, verkündete ich. »Wir sind auf der Suche nach einigen Ge-setzlosen, die behaupten, sie kämpften für Sforza, dabei sind sie nur Räuber und Diebe. Habt ihr sie gesehen?
    Hier, ein Florin für jeden von euch, wenn ihr mir etwas darüber sagen könnt. Sobald sie uns vor die Augen kommen, werden wir sie niedermachen! Ich bin müde.
    Ich habe das Ganze satt!« Ich warf ihnen ein paar Münzen zu, und sie machten sich schnell davon. Jedoch nicht ohne zuvor ein paar Worte darüber verloren zu haben, dass das nächste zu Florenz gehörige Städtchen, etwa zwei Stunden entfernt, Santa Maddalana hieß, dass es seine Tore bei Nacht schloss und dann weder für Geld noch gute Worte hineinzukommen war.
    Ich tat so, als wüsste ich das alles und als befände ich mich auf dem Weg zu einem berühmten Kloster, dessen Lage weiter nördlich mir bekannt war und das ich unmöglich hätte erreichen können. Dann warf ich ihnen über die Schulter weitere Münzen zu und galoppierte davon, wobei ich ihnen zubrüllte, dass sie am besten dem Trupp entgegenritten, der mir auf dem Fuße folgte, denn dort würde man für ihre Dienste sicher noch einmal zahlen.
    Ich weiß, dass sie die ganze Zeit untereinander stritten, ob sie mich töten und mir alles wegnehmen sollten. Es war wirklich eine Angelegenheit, bei der ein entschlossener Blick, Finten, eine flinke Zunge und Standvermögen entscheidend waren; und schließlich waren sie ja nur ganz gewöhnliche Schurken, so dass ich irgendwie da-vonkam.
    Ich ritt weiter, so schnell ich konnte, verließ den Haupt-weg und schlug mich quer durchs Land bis zu den Hängen, von wo aus ich in der Ferne die undeutlichen Umrisse Santa Maddalanas sehen

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