Vittorio
Schritte klangen auf den Steinen der verlassenen Straße. Ich war in Sicherheit, wenigstens das stimmte.
Endlich kam der Schlaf doch. Er kam umfassend und er-lösend; die Nervenstränge, die die Spannung und das Wüten in mir aufrechterhalten hatten, gaben einfach nach, und ich sank in tiefes, traumloses Dunkel. Ich war mir des süßen Augenblicks bewusst, in dem nichts mehr zählte, außer zu schlafen und frische Kraft zu schöpfen, ohne Furcht vor Träumen, und dann spürte ich nichts mehr.
Ein Geräusch brachte mich wieder zur Besinnung. Ich war sofort wach. Die Kerze war verloschen. Ehe ich noch die Augen geöffnet hatte, war meine Hand schon am Schwert. An die Wand gedrückt, lag ich auf dem schmalen Bett und starrte ins Zimmer, in ein Licht, dessen Quelle ich nicht auszumachen vermochte. Ich konnte ganz schwach die verriegelte Tür sehen, aber nicht das Fenster über mir, außer ich wandte den Kopf nach oben, doch ich wusste, wusste ganz genau, dass dieses so fest verrammelte Fenster aufgebrochen worden war. Der matte Lichtschimmer, der auf die Wand fiel, kam vom Nacht-himmel. Es war ein Ungewisses, schwaches Licht, das draußen die Stadtmauer übergoss und meiner kleinen Kammer den Anschein einer Kerkerzelle verlieh.
Kühle Luft sank auf mich herab und strich über meinen Hals und meine Wangen. Ich umklammerte das Schwert, während ich lauschte und wartete. Ein paar leise, knar-rende Töne, dann bewegte sich das Bett fast unmerklich, als würde es leicht verrückt.
Ich konnte meine Augen nicht auf einen Punkt richten.
Plötzlich verdeckten dunkle Schatten alles, und aus dieser Dunkelheit erhob sich vor mir ein Umriss, eine Gestalt, die sich über mich beugte, eine Frau, die mir direkt ins Gesicht blickte, während ihr Haar auf mich niederfiel.
Es war Ursula.
Ihr Gesicht war keine zwei Zentimeter von meinem entfernt. Ihre Hand, die sehr kühl und glatt war, schloss sich mit tödlicher Kraft über der meinen, mit der ich den Schwertgriff hielt. Sie ließ ihre Wimpern über meine Wange streichen und küsste mich auf die Stirn.
Süßeste Empfindungen hüllten mich ein, sosehr ich mich auch dagegen auflehnte. Ein unzüchtiger Gefühlsschwall durchdrang mich bis in die Eingeweide. Strega!, be-schimpfte ich sie. »Hexe!«
»Ich habe sie nicht getötet, Vittorio.« Ihre Summe war eindringlich, doch würdevoll und seltsam volltönend, obwohl sie zart und sehr jung und feminin klang.
»Du wolltest sie mitnehmen!«, sagte ich. Mit einem wilden Aufbäumen versuchte ich mich zu befreien. Aber ihre kraftvolle Hand war schneller, und als ich versuchte, meinen linken Arm unter meinem Körper hervorzuziehen, packte sie mein Handgelenk und drückte auch das nieder, und dann küsste sie mich.
Schon einmal hatte ich den überwältigenden Duft einge-atmet, den sie verströmte, und das sanfte Streicheln ihrer Haare auf meinem Gesicht und Hals schickte schamlose Schauer durch mich hindurch.
Ich versuchte den Kopf abzuwenden, und sie berührte mit ihren Lippen sanft, fast schon ehrfürchtig, meine Wangen. Ihr Körper drängte sich in seiner ganzen Länge an mich, ich spürte ganz deutlich die Wölbung ihrer von kostbarem Stoff umhüllten Brüste und ihre glatten, langen Schenkel, und ihre Zunge berührte meine Lippen. Sie leckte über meine Lippen.
Die Schauer, die mir durch den Körper fuhren, lähmten mich, sie waren demütigend und ließen meine Leidenschaft auflodern.
»Geh weg, Hexe«, flüsterte ich. Obwohl die Wut in mir kochte, konnte ich doch das sachte Glimmen in meinen Lenden nicht unterdrücken, konnte die verzehrenden Empfindungen, die mir über Schultern und Rücken bis hinab in die Beine fuhren, nicht unterdrücken.
Ihre Augen glühten über mir im Dunkel, ihr Lidschlag war eher zu fühlen als zu sehen, und wieder schlossen sich ihre Lippen über meinem Mund, saugten spielerisch daran, dann ließ sie davon ab und presste ihre Wange an mich. Ihre Haut, die wie Porzellan aussah, schmiegte sich weicher als eine Daunenfeder an meinen Körper, ah, sie erschien ganz und gar wie eine kuschelige Puppe aus wollüstigem, magischem Stoff, der viel nachgiebiger war als Fleisch und Blut und dennoch von beidem heftig ent-flammt, denn mit rhythmischem Pochen strömte eine Hitze aus ihr hervor, deren Quelle ihre kühlen Finger zu sein schienen, mit denen sie meine Handgelenke streichelte.
Und dann schoss gegen meinen Willen ihre glühende Zunge zwischen meine Lippen, feucht, köstlich und mit zwingender Gewalt, gegen
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