Vittorio
im Ort, hört Ihr!«
»Was?«, fragte ich. »Nennt Ihr das tröstlichen Zu-spruch?!«
Er kochte: »Ich warne Euch!«
»Und wovor?«, verlangte ich zu wissen. Ich machte mir nicht die Mühe, von der Bank aufzustehen. Er ragte drohend über mir auf, und ich fragte: »Ihr seid durch das Beichtgeheimnis zur Verschwiegenheit verpflichtet. Was wollt Ihr also tun, wenn ich nicht gehe?«
»Das ist es ja, ich muss gar nichts tun!«, sagte er. »Geht fort samt Eurem Elend.« Er brach ab, sichtlich ratlos, vielleicht sogar verlegen, als wenn er etwas gesagt hätte, das er schon bereute. Er knirschte mit den Zähnen, sein Blick schweifte ab und richtete sich dann wieder auf mich.
»Um Eurer selbst willen, geht«, flüsterte er, während er den jungen Priester ansah. »Und du, lass mich allein mit ihm sprechen.«
Der Jüngere war völlig eingeschüchtert und verschwand sofort. Ich sah zu dem Pfarrherrn auf.
»Geht«, sagte er in seinem leisen, boshaften Tonfall; er bleckte die Zähne. »Verlasst unsere Stadt. Verlasst Santa Maddalana.«
Ich schaute ihn mit kalter Verachtung an. »Ihr wisst über jene Wesen Bescheid, nicht wahr?«, sagte ich mit gesenkter Stimme.
»Ihr seid verrückt. Verrückt!«, sagte er. »Wenn Ihr zu den Leuten hier von Dämonen sprecht, werdet Ihr bald selbst am Pfahl brennen wie ein Hexenmeister. Glaubt Ihr, das sei unmöglich?«
Der blanke Hass stand in seinen Augen, schamloser Hass. »Ach, armer, der Verdammung verfallener Priester«, sagte ich. »Ihr seid mit dem Teufel im Bunde.«
»Verschwindet!«, knurrte er.
Ich erhob mich und betrachtete seine vorquellenden Augen, die geschürzten, aufgeregt arbeitenden Lippen und sagte: »Wagt es nicht, das Beichtgeheimnis zu verletzen, Vater. Tut es, und ich töte Euch!«
Er stand stocksteif und starrte mich nur an.
Ich lächelte ein eisiges Lächeln und ging durch die Pfarrei davon.
Er rannte hinter mir her, redete zischend wie ein Dampf-kessel auf mich ein. »Ihr habt mich falsch verstanden. Ihr seid übererregt. Ihr bildet Euch da etwas ein. Ich versuche doch nur, Euch vor Nachstellungen und schurkischen Überfällen zu schützen.«
Am Kirchenportal drehte ich mich zu ihm um und blickte ihn so grimmig an, dass er in tiefes Schweigen verfiel.
»Ihr habt Eure Karten aufgedeckt!«, sagte ich. »Ihr seid zu unbarmherzig. Vergesst nicht, was ich gesagt habe.
Hütet Ihr das Beichtgeheimnis nicht, seid Ihr tot!«
Nun war er ebenso erschrocken wie der junge Priester.
Lange Zeit stand ich einfach da, blickte auf den Altar und ignorierte den Priester völlig, vergaß ihn sogar, während mein Geist mir vorspiegelte, tief schürfende Gedankengänge zu verfolgen, die Lage zu analysieren und Pläne zu schmieden, wo ich doch nur zu einem fähig war -
durchzuhalten. Schließlich schlug ich das Kreuz und verließ die Kirche.
Ich war vollkommen verzweifelt.
Eine Weile lief ich ziellos umher. Wieder schien mir die Stadt der freundlichste Ort zu sein, den ich je gesehen hatte, mit ihren munter beschäftigten Menschen und dem mehr als sauber gefegten Pflaster, den hübschen Blumenkästen in den Fenstern und den gut gekleideten Leuten, die sich ihren Geschäften widmeten.
Nie war mir eine Stadt untergekommen, die reinlicher, nie eine, die zufriedener war. Und die Leute, sie waren alle so eifrig bemüht, mir ihre Waren zu verkaufen, doch auch wieder nicht so eifrig, dass sie unziemlich gedrängt hätten. Und doch war es irgendwie auch ein schrecklich fader Ort. Es gab niemanden meines Alters, zumindest sah ich niemanden. Eigentlich gab es nicht einmal so besonders viele Kinder hier.
Was sollte ich tun? Wohin sollte ich mich wenden? Wonach suchte ich?
Ich hatte keine rechte Antwort auf diese Fragen, aber ich hielt ganz gewiss die Augen auf, um den kleinsten Beweis zu finden, dass diese Stadt vielleicht die Dämonen beherbergte, dass hier nicht etwa Ursula mich gefunden hatte, sondern ich sie.
Mit dem bloßen Gedanken an sie durchfuhr mich kühles, lockendes Verlangen. Ich sah ihre Brüste vor mir, spürte ihren Duft, sah in einem verschwommenen Aufblitzen die blühende Wiese. Nein!
Denk nach! Mach Pläne! Und was diese Stadt betraf, was immer der Priester auch denken mochte, diese Stadt wirkte zu normal, als dass sie Dämonen hätte Unterschlupf gewähren können.
5
DER PREIS FÜR FRIEDEN
UND DER PREIS FÜR RACHE
Als die Hitze des Tages ihren Höhepunkt erreichte, ging ich zum Mittagsmahl in meinen Gasthof und setzte mich dort in die Laube, die von
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