Vittorio
rann. Ich trank und trank, mein Mund war voll davon.
»Nicht heute Nacht«, hörte ich Ursulas Stimme. Küsse auf meiner Stirn, auf meinem Hals. Jemand riss sie von mir weg. Sie klammerte sich an meine Hand.
»Nun komm, Ursula, lass ihn allein.«
»Schlaf, mein Liebling«, weinte sie an meinem Ohr. Ich fühlte, wie ihre Röcke mich streiften. »Schlaf, Vittorio.«
Der Becher wurde umgestoßen. Dümmlich, in tiefer Be-täubung sah ich zu, wie sein Inhalt im Heu versickerte und einen dunklen Fleck hinterließ. Ursula kniete vor mir, ihr weicher, üppiger Mund war geöffnet und leuchtete rot. Sie nahm mein Gesicht zwischen ihre kühlen Hände. Das Blut floss aus ihrem Mund in den meinen.
»Ach, Liebste«, sagte ich. Ich wollte die Wiesen sehen.
Doch nichts geschah. »Mach, dass ich die Wiesen sehe.
Zeig sie mir.« Doch da war keine Wiese, nur der verwir-rende Anblick ihres Gesichts und dann ein langsam verlöschendes Licht; Dunkelheit und Töne umfingen mich.
Ich konnte nicht länger kämpfen, ich konnte nicht mehr sprechen. Ich konnte mich an nichts erinnern ... Aber jemand hatte genau das gesagt.
Und das Weinen. Es war so traurig. Dieses Weinen, dieses klagende, hilflose Weinen.
Als ich die Augen endlich wieder aufschlug, war es Morgen. Die Sonne stach, und mein Kopf schmerzte unerträglich. Über mir hockte ein Mann und versuchte mir die Kleider vom Leib zu ziehen. Betrunkener Trottel. Ich drehte mich um, mir war schwindlig und übel, übel bis zum Erbrechen. Ich schüttelte den Mann ab und setzte ihn mit einem kräftigen Hieb außer Gefecht. Dann be-mühte ich mich aufzustehen, doch es ging nicht. Die Übelkeit war unerträglich. Ringsum verstreut lagen andere im Schlaf. Die Sonne tat mir in den Augen weh. Sie glühte auf meiner Haut. Ich kroch tiefer in das Heu. Doch die Sonne brannte auf meinen Kopf, und als ich mit den Fingern durch mein Haar fuhr, fühlte es sich heiß an. Den pochenden Schmerz in meinem Schädel spürte ich bis in die Ohren.
»Komm hierher, unter das Schutzdach«, sagte jemand.
Es war ein altes Weib, das mir unter einem Strohdach hervor zuwinkte. »Komm her, hier ist es kühl.«
»Seid verflucht, ihr alle«, murmelte ich. Dann schlief ich ein und döste im Halbschlaf dahin.
Irgendwann am späten Nachmittag kam ich zu mir. Ich fand mich auf den Knien neben einem der Kessel wieder, wo ich jämmerlich ungeschickt Suppe aus einer Schale schlürfte. Die alte Frau hatte sie mir gegeben.
»Die Dämonen«, sagte ich. »Sie schlafen jetzt. Wir können ... wir können ...« Doch dann übermannte mich die ganze Vergeblichkeit des Unternehmens. Ich wollte den Becher von mir schleudern, doch stattdessen trank ich das heiße Gebräu.
»Es ist nicht nur Blut, Wein ist auch drin, guter Wein«, sagte die Alte. »Trink, mein Junge, dann spürst du keinen Schmerz. Sie werden dich noch früh genug töten. Es ist gar nicht so schrecklich.«
Ich merkte, dass es wieder Nacht wurde. Ich rollte mich auf den Rücken und konnte die Augen weit öffnen, ohne dass sie wie zuvor schmerzten.
Ich wusste, dass die Sonne ihren Lauf einmal vollendet hatte und ich es in diesem betäubten, dümmlichen, un-seligen Dämmerzustand nicht gemerkt hatte. Ich hatte mich genauso verhalten, wie es den Plänen dieser Monster entsprach. Ich war hilflos gewesen, wenn ich doch hätte versuchen sollen, diese nutzlose Bande hier zu einem Aufstand aufzustacheln. Guter Gott, wie hatte ich das geschehen lassen können! Ach, diese Traurigkeit, diese dumpfe, vage Traurigkeit ... Und die Süße des Schlummers.
»Wach auf, Junge.«
Die Stimme eines Dämonen.
»Sie verlangen heute Nacht nach dir.«
»Ach, und wer verlangt nach mir und wozu?«, fragte ich.
Ich schaute auf. Die Fackeln waren angezündet. Alles flackerte und glühte, und über mir raschelte sanft das Laub - scharfer, süßer Duft von Orangenbäumen. Die Welt war ein Gespinst aus tanzenden Flammen und den bezaubernden Mustern der schwarzen Blätter. Die Welt bestand aus Hunger und Durst.
Die Brühe köchelte leise, und ihr Geruch schloss alle anderen Empfindungen aus, und obwohl ich nicht einmal in der Nähe eines Kessels war, öffnete ich verlangend den Mund.
»Ich werde dir etwas geben«, sagte eine Dämonenstim-me. »Aber setz dich zuerst. Ich muss dich aufputzen. Du musst gut aussehen nur die heutige Nacht.«
»Wozu?«, fragte ich. »Sie sind alle tot.«
»Wer?«
»Meine ganze Familie.«
»Deine Familie ist nicht hier. Wir sind hier am Hofe vom Blutroten
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