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Vittorio

Vittorio

Titel: Vittorio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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hatte die Bibliothek wie eine Basilika gestaltet.
    Wie hätte ich in meiner kindlichen Unwissenheit ahnen können, dass dieser Stil in ganz Italien nachgeahmt werden würde. Ach, damals gab es so viel Wundersames, nicht nur für die Menschen jener Zeit, sondern für alle Zeiten bestimmt.
    Und? Was bin ich? Lebe ich überhaupt? Oder schreite ich stets Seite an Seite mit dem Tod, in Liebe zur dahin-fließenden Zeit entbrannt?
    Ich blieb stehen. Wie sehr meine Augen das glänzende Mondlicht liebten. Wie sehr ich mich danach sehnte, für immer hier stehen zu können, traumversunken, mit geistigen und seelischen Werten beschäftigt und ohne Erinnerung an die elende, in ihren Ketten schmachtende Stadt auf dem verfluchten Berg mit der nahen Burg, die vielleicht gerade in diesem Augenblick wieder ihr gespenstiges, garstiges Licht verströmte.
    Durfte ich die Ordnung dieses Bücherreichtums stören?

    Der Mönch, der diese Bibliothek katalogisiert hatte, ebendieser Gelehrte, war nun Nicholas V., Papst über die gesamte Christenheit.
    Ich ging mit erhobenem Leuchter an den Borden zu meiner Rechten entlang. Standen die Bücher in alphabeti-scher Reihenfolge? Ich dachte mir, Aquin wäre der Richtige, denn seine Werke waren mir geläufiger, doch dann stieß ich auf den heiligen Augustin. Ich hatte seine Schriften schon immer gemocht, seinen lebhaften, spannenden Stil und seine exzentrischen Vorstellungen.
    »Ah, du hast ausführlicher über Dämonen geschrieben, du bist viel passender!«, murmelte ich.
    Vom Gottesstaat! Da war es, mehrere Kopien hinterein-ander, außerdem mehrere Auslegungen dieses Meisterwerkes, ganz zu schweigen von den anderen Schriften dieses berühmten Heiligen, die Bekenntnisse, die mich mindestens so sehr gefesselt hatten wie ein römisches Drama, wenn nicht mehr. Einige dieser Bücher waren sehr alt, aus dickem, grob geschnittenem Pergament hergestellt, andere hatten einen aufwendigen Einband, aber es gab auch einfache, ganz neue Ausgaben.
    Aus wohlwollender Rücksichtnahme heraus sollte ich besser das Werk mit dem robustesten Einband nehmen, selbst wenn ich in Kauf nehmen musste, dass es vielleicht einen Fehler enthielt, und Gott weiß, wie sehr die Mönche sich bemühten, beim Kopieren keine Fehler zu machen. Ich wusste, wonach ich suchen musste. Den Band über Dämonen hatte ich nämlich faszinierend und recht lustig gefunden und gedacht, dass da doch ein ziemlicher Unsinn stand. Ach, was war ich für ein Narr gewesen!
    Ich nahm das schwere, fette Buch herunter, legte es in meine Armbeuge, ging zum nächsten Pult und stellte dann den Leuchter sorgfältig vor mir auf, so dass er genug Licht gab, aber keinen Schatten auf die Seiten warf; dann schlug ich das Buch auf.
    »Es steht alles da drin!«, flüsterte ich. »Nun zeig mir, Augustin, was das für Wesen waren, damit ich Ramiel und Setheus überzeugen kann, dass sie mir helfen müssen.
    Oder zeig mir, wie ich diese Florentiner Bürger überzeugen kann, die zurzeit nichts anderes im Kopf haben, als gegen die Söldner der Republik Venedig Krieg zu führen. Hilf mir, Heiliger, bitte!«
    Ah, Kapitel zehn, Band neun, das kam mir bekannt vor ...
    Augustin zitierte beziehungsweise erklärte hier Plotin:

    ... dass der Leib des Menschen sterblich ist, ist allein dem Mitleid Gottes zu verdanken, der uns nicht in Ewigkeit dem Elend dieses irdischen Lebens aussetzen wollte. Da aber die Dämonen derart der Sünde verfallen sind, befand er sie dieses Mitleids nicht wert, und da ihr Zustand ein so elender ist und ihre Seele so sehr den Leidenschaften anheim gegeben, hat Gott ihnen den sterblichen Leib versagt, den er dem Menschen schenkte, sondern ihnen einen unsterblichen Leib gegeben.

    »Ah, ja!«, nickte ich. »Und den hat Florian mir geboten, denn er prahlte damit, dass sie nicht altern oder verfallen und keine Krankheit ihnen etwas anhaben kann; ich hätte wie sie ewig leben können. Sündig ist das, sündig. Nun, das ist ein Beweis, hier ist er, ich kann ihn den Mönchen vorlegen.«
    Ich las weiter, überflog die Seiten, um weitere wichtige Punkte zu finden, die meine Behauptung unterstützen würden. Ah, da, in Kapitel elf:

    Apuleius sagt auch, dass die Seelen der Menschen Dämonen sind. Wenn sie den sterblichen Leib verlassen, verwandeln sie sich in Laren, sofern sie sich zuvor als gut erwiesen hatten, und wenn sie dem Bösen angehangen hatten, so werden sie zu Lemuren oder Larvae.

    »Ja, Lemuren, das Wort kenne ich. Lemuren oder Larvae
    - verpuppte

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