Vittorio
»Cosimo macht sich Sorgen. Er wird über Nacht hier bleiben. In der Stadt laufen venezia-nische Aufrührer herum und wiegeln das Volk gegen ihn auf.«
»Und nun schlaf«, sagte ein anderer Bruder, der plötzlich auftauchte. Er bückte sich und hob meinen Kopf an, um mir ein weiteres Kissen darunter zu schieben. Welch eine Wohltat! Mir fielen die Gefangenen in der Hürde ein.
»Was für ein Graus! Es ist Nacht. Sie warten jetzt auf diese schauerliche Kommunion.«
»Wer, Kind? Was für eine Kommunion?«
Wieder sah ich Gestalten durch den Raum schweben, sie drückten sich in den dunklen Zimmerecken herum Aber schnell waren sie wieder verschwunden.
Ich musste mich schon wieder übergeben. Wo war das Becken? Die Mönche halfen mir und hielten meine Haare hoch. Sahen sie bei diesem Kerzenlicht das Blut? Fäden puren Blutes, und es stank so verdorben!
»Wie kann man einen solchen Giftanschlag überleben?«, flüsterte ein Mönch dem anderen zu. »Können wir es wagen, ihn zur Ader zu lassen?«
»Das wird ihm nur Angst machen. Sei ruhig. Er hat ja kein Fieber.«
»Ha, ihr habt euch schwer geirrt! Ihr dachtet, ihr könntet mir den Verstand rauben«, verkündete ich plötzlich. Ich schleuderte es Florian und Godric und dem ganzen Dä-
monenpack entgegen.
Die Mönche warfen mir äußerst verwunderte Blicke zu.
Ich lachte auf. »Ich habe die gemeint, die mich erledigen wollten!«, sagte ich und sprach jedes einzelne Wort ganz besonders deutlich und betont aus.
Der magere Mönch mit den sauber geschrubbten Händen kniete neben mir und strich mir über die Stirn. »Und deine hübsche Schwester, die, die bald heiraten sollte, ist sie auch ...?«
»Bartola! Was, sie sollte heiraten? Das wusste ich nicht.
Nun, der Freier kann ihren Kopf mit ins Brautbett nehmen.« Ich begann zu weinen. »Im Finstern sind schon die Würmer am Werk. Und die Dämonen tanzen oben auf dem Berg, und die Stadt tut gar nichts.«
»Was für eine Stadt?«
»Du fantasierst schon wieder«, sagte ein Mönch aus einer dunklen Ecke. Wie deutlich er zu sehen war, obwohl er nicht im Umkreis der Kerzen stand. Seine Schultern hingen ein wenig, er hatte eine Hakennase und schwer herabhängende Augenlider. »Komm, armes Kind, hör auf mit den Fantastereien.«
Ich wollte protestieren, doch jäh erschien eine riesige, weiche Schwinge über mir, deren Federn alle mit Gold bestäubt waren, und hüllte mich ein. Am ganzen Leib spürte ich das sachte Kitzeln der Federn. Ramiel fragte: Was müssen wir tun, damit du endlich schweigst? Filippo braucht uns im Moment; wirst du uns endlich etwas Ruhe gönnen, damit wir uns um ihn kümmern können? Zu seinen Hütern hat uns Gott bestellt! Du brauchst gar nicht zu antworten. Gehorche mir! Die Schwinge löschte alles aus, meine Sicht und meinen Kummer. Schattig bleiche Dunkelheit. Gleichmäßig und vollständig. Die Kerzen standen hinter mir hoch oben auf einem Bord.
Ich erwachte und stützte mich auf die Ellenbogen. Mein Kopf war klar. Gleichmäßig brennende Kerzen, die nur ganz unmerklich flackerten, tauchten die Zelle in ein angenehmes Licht. Der Mond schien in das hoch gelegene Fenster. Seine Strahlen fielen auf das Fresco an der Wand, das eindeutig von Fra' Giovannis Hand stammte.
Ich konnte es erstaunlich gut erkennen. Wirkte da schon das Dämonenblut? Ein seltsamer Gedanke kam mir. Er hallte durch mein Bewusstsein wie das helle Klingen einer goldenen Glocke: Ich selbst hatte keine Schutzengel!
Meine Engel hatten mich verlassen! Sie waren gegangen, weil meine Seele verdammt war. Ich hatte keine Engel. Und Filippos Engel konnte ich sehen, weil mir die Dämonen diese Fähigkeit verliehen hatten, und aus noch einem weiteren Grund: Filippos Schutzengel hatten ständig Meinungsverschiedenheiten! Und deshalb hatte ich sie sehen können. Mir fielen ein paar Textstellen wieder ein. Von Aquin mussten sie sein, oder eher Augustin? Als ich Latein lernte, hatte ich von beiden so viel gelesen, denn ihre endlosen Erörterungen dieses Themas hatten mich immer entzückt. Da hieß es auch, dass Dämonen immer von Leidenschaften besessen seien, Engel jedoch nicht.
Aber diese beiden Engel waren sehr lebhaft. Und dadurch hatten sie den Schleier, der sie verhüllte, gelüftet.
Ich stieß die Bettdecke zurück und setzte meine Füße auf die nackten Fliesen, die so herrlich kühl, aber auch angenehm waren, denn da der Raum tagsüber die Sonnen-wärme aufgesogen hatte, war er immer noch warm. Nicht die leiseste Zugluft wehte
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