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Viviane Élisabeth Fauville

Viviane Élisabeth Fauville

Titel: Viviane Élisabeth Fauville Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Deck
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für Reichtum nicht empfänglich sei und nur an Ihrer aller Lebensqualität gedacht habe. Was den Arzt angeht, so können wir also das Geldmotiv ausschließen.
    Viviane betrachtet aufmerksam die Gesichtszüge des Kommissars, seine schweren Augenlider, die wulstigen Lippen, das Doppelkinn und die Konzentrationsfalten, die das Ganze strukturieren. Sie befindet, dass er nicht daran glaubt.
    Ich habe den Doktor nicht umgebracht, seufzt sie. Ich werde doch die Sache nicht erfinden. Ich war zu Hause mit meiner Tochter, ich habe den Kommissar nicht umgebracht.
    Sie wollen sagen, den Doktor.
    Ich will sagen, den Doktor.
    Warum haben Sie uns nahegelegt, Ihre Mutter anzurufen?
    Ich weiß nicht, das ist von alleine gekommen. Das ist es, was der Doktor mir beigebracht hatte, zu reden, ohne nachzudenken.
    Wir sind hier nicht bei dem Doktor, Madame Hermant. Hören Sie, ich habe Verständnis dafür, dass Sie es nicht ganz leicht haben im Moment, mit der Scheidung und allem. Aber das geht nicht, dass Sie den Ermittlern irgendwelchen Mist erzählen und eine Wohnung behalten, die an die eine Million wert ist, ohne den geringsten Gewinn zu erzielen. Sie müssen sich wieder in den Griff kriegen, oder es wird Ihnen das eine oder andere Missgeschick passieren. Und jetzt raus mit Ihnen.
    Das ist nicht, was zu erwarten gewesen war. Es ist zu einfach, riecht nach einer Falle und nach Demütigung. Vivianes Blick gleitet vom Kommissar zum Inspektor. Er steht seit dem Beginn dieser Unterredung in einer Ecke des Raumes, eine lange, geschmeidige, elegant an der Glasscheibe lehnende Silhouette. Sie nimmt unbewusst die Umrisse seiner Kleidung wahr, mustert wieder den Kommissar, der ungeduldig wird und den Zahnstocher von dem Löschpapier nimmt, wo er ihn vorhin abgelegt hatte. Dann, da es nichts mehr zu sagen gibt, sammelt sie ihre Sachen zusammen, verlässt, etwas Unverständliches murmelnd, das Zimmer und begibt sich in den Flur.
    Auf dem Rand eines Plastikstuhls spielt eine rothaarige hochschwangere Person nervös mit ihren Fingernägeln. Viviane erkennt sie sofort, hat sie doch in der Morgenzeitung lange ihr Bild studiert. Doch der Blick der jungen Frau bleibt nicht an ihr hängen. Sie sucht jemanden mit den Augen, und als der Inspektor auf den Gang tritt, hat sie ihn gefunden. Sie ist unaufgefordert noch einmal wiedergekommen, ja, sie möchte noch einmal mit den Polizisten sprechen, die Ermittlungen unterstützen, ihr sind noch mehrere Details eingefallen, die sie interessieren könnten. Nachdem Philippot sie hat eintreten lassen, bleibt Viviane mit ihrer Tochter alleine, die immer noch keinen Ton von sich gibt, aber deren Blick sich mit schweren Vorwürfen füllt.

8
    Anschließend weiß ich nicht, warum ich tue, was ich tue, aber ich tue es. Denken Sie bloß nicht, ich würde das für eine gute Idee halten oder ich sei stolz darauf, es ist einfach nicht anders zu machen: Meine Füße gehen vorwärts und ich hinterher.
    Ich verlasse das Kommissariat. Die Nacht kapselt den Boulevard Saint-Germain ein, die Passanten hetzen auf den Eingang der Metro zu. Ihre Wege sind leicht zu interpretieren. Ich könnte irgendeine von ihnen sein, von der Arbeit kommen, beim Kindergarten vorbeigehen, bei Monoprix etwas einkaufen und dann in den Bus springen, wo mir jemand seinen Platz überlassen würde. Ich würde nach Hause kommen, das Fläschchen warmmachen, während mein Mann das Baby baden würde, dann würden wir irgendetwas Tiefgefrorenes vor dem Fernseher essen und schlafen gehen, ohne Sex zu haben, außer es wäre der Abend, an dem wir Sex haben, in welchem Fall wir besser schlafen würden, bevor wir, gegen jeden Verdacht gefeit, den Kreislauf der Tage, der Wochen, der Jahre wieder von vorne begännen.
    Der Schein spricht für mich. Mit diesem Alibi ausgestattet, gehe ich die Rue des Écoles hoch, wo ich von einem Hotel weiß. Tatsächlich finde ich mehrere. Sie stehen aneinandergereiht auf der ungeraden Seite, parallel zur Seine, doch ich bezweifle, dass man, hinter den pastellfarbenen Vorhängen dieser halben Luxus-Etablissements stehend, den Fluss und seine touristischen Anziehungspunkte sieht, Notre-Dame und die Conciergerie, den Quai des Orfèvres und den Palais de Justice. Mein Plan steht fest, ich brauche ein Zimmer für mehrere Stunden und suche etwas nicht zu Teures, denn ich weiß nicht, welche Ausgaben womöglich noch auf mich zukommen,

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