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Viviane Élisabeth Fauville

Viviane Élisabeth Fauville

Titel: Viviane Élisabeth Fauville Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Deck
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und ziehe es vor, mich sparsam zu zeigen.
    Allerdings haben diese Hotels immerhin drei oder vier Sterne angeschlagen. Der Preis steht nicht am Eingang an, und ich wage nicht einzutreten, um nachzufragen, ich mag es nicht, wenn es so aussieht, als hätte ich nicht genug. Schließlich bleibe ich vor dem Moderne Saint-Germain stehen, wo ein nordamerikanisches, sehr nach Ostküste aussehendes Paar steht und plaudert. Sie werden in den Louvre gehen statt mit den Bateaux Mouches zu fahren, sie werden das Moulin Rouge auslassen zugunsten des Musée d’Orsay – ich brauche sie nicht zu kennen, um über ihre Wege unterrichtet zu sein, denn an ihrer Stelle hätte ich dieselben. Als ich ein junges Mädchen war, mochte ich es sehr, neue Orte zu entdecken, ohne mich von den in den Reiseführern empfohlenen Sehenswürdigkeiten zu entfernen. Ich lächele ihnen zu und werfe einen Blick hinein. Ein diskreter Hotelangestellter sitzt an der Rezeption, genau das, was ich brauche. Aber zuerst die Apotheke.
    Ich finde dreihundert Meter weiter eine, wo ich, während ich in der Schlange stehe, die Entspannungsmittel betrachte, die hinter der Theke präsentiert werden. Es sind großteils Sedative, heilpflanzliche Kapseln, mit denen man sicher kein Pferd einschläfern könnte, aber bei einem sechs Kilo schweren Kind werden sie ihren Zweck wohl erfüllen. Als ich an der Reihe bin, verlange ich vier verschiedene Päckchen, und zur Vorsicht hole ich auch das ärztliche Rezept heraus, damit man mir Beruhigungsmittel gibt, nur die Beruhigungsmittel. Die junge pharmazeutische Praktikantin beobachtet mich beunruhigt, aber ich lasse mich nicht aus der Fassung bringen. Ich bin die Kundin, sie ist nicht die Polizei, ich halte ihrem Blick stand, bis sie sich beeilt, meine Pillen zu holen, dann bewege ich mich Richtung Moderne Saint-Germain, wo ich ein Einzelzimmer belege. Es kostet siebenundsiebzig Euro.
    Der Rezeptionist bekäme auch gerne von mir einige Erklärungen geliefert. Er stellt keine Frage, aber ich ahne an seinen schrägen Blicken, dass ich besser eine Geschichte erfände, die es rechtfertigt, mit nichts anderem als einem drei Monate alten Kind im Gepäck anzureisen. Also erfinde ich, dass ich in Nevers wohne und mein Auto eine Panne hat, ich werde es erst am nächsten Morgen wiederbekommen, und ich füge hinzu, dass es bei der Mercedes-Werkstatt an der Ecke in Reparatur ist, weil dicke Autos immer Vertrauen einflößen. Er entspannt sich sichtlich, hält mir den Zimmerschlüssel hin und wünscht mir eine gute Nacht, und dass ich mich von der Aufregung erhole. Ich bedanke mich.
    Das Zimmer enthält das Nötigste an Mobiliar, die Wände sind mit Stoff bespannt, rosa und grün. Ich ziehe die Schublade der Kommode heraus und polstere sie mit Handtüchern, um das Baby hineinlegen zu können, das immer noch nicht schläft, das immer noch nicht weint, das mich ansieht, als wollte es sagen, na, meine Gute, was hast du dir jetzt wieder ausgedacht. Manchmal scheint es mir so, als sei es die Mutter und ich das Kind, ich denke darüber nach, dass es unter diesen Umständen nichts nützt, ihm pharmazeutische Produkte zu verabreichen: Es wird mich nicht verraten. Als wollte es mich dessen versichern, schließt es die Augen und schläft ein.
    Ich verlasse das Moderne Saint-Germain, während der Rezeptionist in seinen Prospekten kramt, um den Amerikanern Auskünfte zu erteilen, gehe wieder zur Place Maubert hinunter, wo ich mich zwei Schritte von dem Kommissariat entfernt in ein Café setze. In der Morgenausgabe von
Le Parisien
betrachte ich die Fotografie der jungen Rothaarigen, die vorhin gekommen ist, den Ermittlern neue Informationen zu überbringen: Ich möchte sicher sein, dass ich sie wiedererkenne, wenn sie aus der Rue des Carmes kommen und vor mir auftauchen wird. Dann gehe ich in mich und forsche in meinem Gedächtnis nach dem Gesicht, das ich im Flur des Kommissariats flüchtig gesehen habe, setze die Einzelteile zusammen, über die ich verfüge, um den Moment nicht zu verpassen.
    Kurz nach 21 Uhr ist es so weit. Am anderen Ufer des Boulevards zieht in der Gegenrichtung des Verkehrs zwischen den Metallständern, die schon für den Markt am nächsten Morgen aufgebaut sind, eine kompakte Menschenmasse vorüber. Der Gang der Frau ist beschwert von der Last ihres Bauches, noch mehr aber von den verschiedenartigen Eindrücken, die

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