Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Vögelfrei

Titel: Vögelfrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Andresky
Vom Netzwerk:
zwölf, nur war der Wandschrank diesmal ein Bett, und den Jungen kannte ich und wusste, dass er nett war, richtig nett. Wir drapierten einige dicke Kissen ans Kopfende und legten uns einander zugewandt hin, den Arm unter dem Kopf, den zweiten irgendwie im Weg, wie früher. Unsere angewinkelten Knie berührten sich.
    »Hallo«, flüsterte ich, »bist du nicht der Star aus Ficki - Der mutige Wikinger ?«
    Leo versuchte ein schiefes Lächeln - es geriet sehr schief. Seine Stimme klang rau, fast wie im Stimmbruch, als er zurückfragte: »Und du warst doch die Moglina in Dschungelbumms - Unrasierter Affensex !?«

    Dann fiel uns nichts mehr ein. Wir sahen uns an.
    Ich entdeckte einen kleinen Punkt über seiner Augenbraue, wo vor nicht allzu langer Zeit wohl ein Piercing gesteckt hatte. Seine Wangen waren glatt und weich, ohne auch nur die Spur eines Bartschattens. Seine Schneidezähne waren gerade, blendend weiß und etwas länger als die anderen, was ihn besonders niedlich aussehen ließ, wenn er lächelte.
    »Du riechst nach Walnüssen«, sagte er.
    Ich legte meine Hand auf seinen Oberarm. Ich versuchte mich daran zu erinnern, was mir meine wesentlich ältere Cousine übers Küssen beigebracht hatte, als der ganze Stress mit den Jungs gerade losging: »Einfacher Trick: Je näher sich die Münder kommen, desto langsamer muss alles werden. Zeitlupe, das ist das Geheimnis. Langsamer als Zeitlupe. Ein Kuss ist nicht einfach da, er muss sich entwickeln.«
    Damals hatte mich das nicht sonderlich beeindruckt, aber jetzt staunte ich nachträglich darüber, wie gut sie sich mit ihren gerade siebzehn Jahren ausgekannt hatte. Ich beugte mich etwas vor. Leos Hand rutschte zu meiner Taille. Die Härchen auf meinem Arm stellten sich auf. Ich konnte spüren, wie er mich beobachtete, hatte aber das Gefühl, ich würde anfangen zu weinen, wenn ich ihm in die Augen sah, und schloss die Lider. Ich ließ ihn machen. Sein Becken schob sich näher an meins heran. Ich spürte seinen Atem auf meiner Wange, seine Hand, die sich von der Taille über den gänsehautüberzogenen Arm bis zur Schulter vortastete, den Hals hoch, bis zur Wange. Er hob mein Kinn ganz vorsichtig an, und fast wäre ich zusammengezuckt, als seine Lippen meine
berührten. Ich weiß nicht, ob er auch eine ältere Cousine gehabt hatte, aber er machte alles richtig.
    Erst fühlte ich nur einen ganz leichten Druck in der Mitte der Oberlippe. Ein Kribbeln strömte durch meine Kehle und meine Brust wie ein elektrischer Impuls, dann kam seine Unterlippe dazu. Wir bewegten unsere Münder kaum; es gab kein Schmatzen und Schlürfen, sondern nur eine federleichte, weiche, flaumige Berührung, unter der ich wegschmolz. Ich schwitzte. Leos Hand streichelte mein Haar, meine Wange, meinen Hals. Ganz langsam öffneten wir die Lippen, und ich hatte das Gefühl, sein Geschmack nach Pfefferminz, einer frühen Zigarette und etwas sehr Eigenem strömte in mich hinein. Ich bog den Kopf weiter zurück und überließ mich ihm. Seine Zunge tastete sich allmählich vor, suchte meine und spielte mit der Spitze. Das Kribbeln in meiner Brust wurde zu einem Ziehen, das sich einen Weg bis zu meinem Unterleib bahnte. Ich wusste, wie einfach es jetzt gewesen wäre, miteinander zu schlafen, nicht um sich noch näher zu sein, sondern um diese Spannung nicht länger aushalten zu müssen. Aber es war wunderbar, sie auszuhalten. Ich hörte Leo leise schnaufen und mich manchmal ebenso leise gurren, wohlig und erregt. Ich fühlte mich von diesem Kuss völlig durchdrungen; er reichte bis in die Zehen. Ich presste mich enger an ihn, spürte seine muskulöse Brust und seinen harten Penis in der Jeans, wusste aber, dass jetzt nichts weiter passieren durfte.
    Unser Kunde am anderen Ende der Leitung war mir inzwischen völlig egal. Wahrscheinlich hatte er sich auch längst ausgeloggt. Ich rutschte noch tiefer in Leos Arm,
wollte meinen Körper seinem anpassen wie ein Puzzleteil und mit ihm verschmelzen. Unsere Zungen spielten miteinander, mal heftig und fordernd, dann wieder zart und vorsichtig, mal wissend und raffiniert, dann wieder unschuldig, verspielt und neugierig. Irgendwann merkten wir, dass sich unsere Kiefer verkrampfen, dass wir Durst hatten, dass unsere Lippen rau wurden. Nur widerwillig lösten wir uns voneinander.
    Ein Blick auf die Uhr sagte mir, dass fast eine Stunde vergangen war. Ich war erschöpft und warm erfüllt, wie nach einer langen Liebesnacht. Leo sah mir direkt in die Augen, und diesmal wurde

Weitere Kostenlose Bücher