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Vögelfrei

Titel: Vögelfrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Andresky
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ist übrigens giftig, aber das weißt du, Samir, oder? Keine Sorge, ich habe nicht vor, dich zu vergiften. Du kannst deinen Teller gern mit Gemma tauschen, falls du das befürchtest. Oder mit Leo, der ja eigentlich schuld daran ist, dass wir uns überhaupt kennengelernt haben.
    New York wird für mich immer dieses erste Haifischsteak mit dir sein. An den Geschmack erinnere ich mich nicht, denn ich hatte nur Augen für dich. Und wenn ich dich heute ansehe, muss ich sagen: Du bist ein schöner Mann, ein Prinz geradezu. Und du bist einer der wenigen Männer, die nackt noch attraktiver sind als angezogen. Selbst Hilde könnte dir verfallen, so wie du den Wein nachschenkst und ihr dabei tief in die Augen siehst. Aber
bei Hilde, Samir, ist dein Charme vergebens. Du brauchst dich nicht um sie zu bemühen, denn ihr beide seid längst ein Paar. Du hast sie schon einmal getroffen, nur weißt du das nicht. Und ohne dass sie es wüsste, hat sie dir geholfen, als du dich an mir rächen wolltest.
    Schmeckst du die Chilis auf der Zunge? Brennen sie nicht wie Feuer? Zündeln sie nicht deinen Rachen hinunter? Kommen dir da nicht die Tränen? Wenigstens jetzt, da du mich wiedersiehst und spüren musst, dass alles heute ein Ende haben wird, würde ich Tränen von dir erwarten, wenigstens ein Schimmern. Aber ein Prinz weint ja nicht. Also nimm noch Linsen und einen Löffel Joghurt mit Cumin und Garam Masala. Das kühlt die Hitze in deinem Mund etwas ab, denn noch ist der Abend nicht vorbei. Niemand wird diese Tafel hungrig verlassen. Jeder bekommt, was ihm zusteht. Schließ den Mund beim Kauen, Samir, sei so gut.

    Auch im Flugzeug gab es ein Dal, eine braune, schleimige, penetrant nach Curry riechende Linsenpampe mit einem undefinierbaren größeren Etwas darin, das in einem früheren Leben vielleicht mal ein Gemüsestrunk gewesen war oder der Daumen des Hilfskochs.
    Ich hätte mich immer noch ärgern können, dass die erste Klasse ausgebucht war, aber so überstürzt, wie ich abgereist war, musste ich die Legebatterie wohl in Kauf nehmen. Immer, wenn ich mit Leuten eingeschlossen bin, sei es in einem Flugzeug oder auch nur in einem Fahrstuhl, kommt mir sofort der Gedanke, wer im Falle
einer Katastrophe wohl wen essen würde. Ich sah mich um und entschied, dass ich mir keinen davon als Barbecue vorstellen wollte. Schon gar nicht die spätpubertären Testosteronschleudern, die um mich herum saßen, und die jetzt »Delilah« anstimmten. Junge, protzige Typen, für die ein Red Bull wahrscheinlich der einzig mögliche Höhenflug war. Sie lachten wie ein Rudel Hush Puppies mit Raucherhusten und fingen schließlich sogar an zu singen: »Das war der Zipfelbub, das war der Zipfelbub.« Einige griffen sich demonstrativ in den Schritt.
    Der arme Zipfelbub, ein Schüchterner mit Strubbelfrisur und Moppelbauch, versank in seinem Sitz und lief knallrot an. Leider schämten sich seine zahlreichen Pickel nicht mit ihm und blieben käseweiß, sodass er jetzt wie das Wunschsams aussah. Die anderen Passagiere, meist Geschäftsleute, räusperten sich missbilligend und raschelten mit ihren Zeitungen oder setzten Kopfhörer auf.
    »In diesem Urlaub passiert es!«, rief ein Hochaufgeschossener mit Passauer Filzhut. »Unser Zipfelbub wird ein Mann.«
    Der zog den Kopf noch mehr ein, aber es nützte nichts, die Gesänge setzten wieder ein, bis eine strenge Stewardess mit dem Charme einer Herbergsmutter für Ordnung sorgte. Kaum sah sie einmal nicht hin, versuchte Filzhut, Zipfelbub ein zwischen den Händen aufgespanntes Kondom über den Kopf zu ziehen, während die anderen leise »Spermaschlabber im Hot Rubber« skandierten. Er befreite sich und stürmte zur Toilette; sein Gesicht war mittlerweile dunkelviolett angelaufen. Was soll ich sagen? Ich hatte Mitleid.

    Ich ging hinterher, und als die Stewardess mit den Resten der Dal-Pampe beschäftigt war, schob ich den verdutzten Zipfelbub in die enge Toilettenkabine zurück, die er gerade verlassen wollte. Die Gruppe verstummte augenblicklich.
    Drinnen presste ich mich an ihn, um die Tür hinter mir schließen zu können, und zog mein T-Shirt hoch, wobei ich mir den Ellenbogen am Spiegel stieß. Als wollte ich sie zum Nachtisch servieren, zeigte ich ihm meine Brüste und fragte ihn sehr freundlich: »Und? Ist es das?« Er nickte sprachlos. Ich ließ mein T-Shirt hochgeschoben und machte mich an seiner Hose zu schaffen. Die Toilette war so eng, dass man sich kaum bewegen konnte. Ich zerrte mir die Jeans über den

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