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Vögelfrei

Titel: Vögelfrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Andresky
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Dösle‹ und so weiter, unerträglich. Ich hab sie immer ›Schaffhausener Zunge‹ oder ›Stuttgarter Cremeschnittchen‹ genannt. Ich frage mich wirklich, wie Schwaben sich eigentlich vermehren. Das muss schweigend passieren. Aber die Wahrheit ist: Mich interessiert das alles einfach nicht mehr. Sex interessiert mich genau so viel wie ein Tier im Zoo. Eine Zeit lang ist es ganz nett, aber dann bin ich doch froh, dass es weggesperrt ist. Seit ich das so sage, ist es gut. Ich bin asexuell. Ich vermisse nichts. Ich springe nicht hinter irgendwelchen Hecken hervor. Ich habe ein gutes Leben, und Sex is’ nich. So ist das eben. Da muss man kein Mitleid haben, und ich brauche auch keine Aktion Sorgenschwanz mit Lottolosen. Asexuell zu leben hat genauso seine Berechtigung wie lesbisch-devot-analstöpselfetischistisch zu sein. Und ich glaube auch nicht, dass es daran liegt, dass ich im Bett grottenschlecht gewesen wäre.«
    Ich lächle ihm zu. Das kann ich mir nun auch nicht vorstellen. Malte ist bestimmt keiner von diesen Typen, die so mitleiderregend schlecht ficken, dass man am liebsten einen Charity-Marathon zu ihren Gunsten veranstalten würde. Oder die Olympiade der Fickbehinderten.
    Hilde räuspert sich leise und schiebt nervös ihre Calvadosäpfel auf dem Teller hin und her. Für die anderen am Tisch muss es so aussehen, als wäre lesbisch-devot-analstöpselfetischistisch
ihr Stichwort gewesen, aber ich weiß, dass sie angespannt ist, weil sie vermutet, dass ich gleich vom Treibhaus erzählen werde. Und weil das nicht gerade ein rühmliches Kapitel in ihrem Leben ist.
    Samir hat sich besser unter Kontrolle. Er arbeitet sich mit militärischer Präzision durch seinen Flan und landet mit dem Löffel bei jedem seiner zackigen Spatenstiche auf dem Boden des Kristallschälchens. Die Äpfel hat er an den Tellerrand aussortiert. Wahrscheinlich hält er sie nach Maltes Ausführungen für schwules Obst, ansteckendes schwules Obst. Ich seufze. Homophob, hysterisch und dumm zu sein, ist eine blöde Mischung. Rosettenkneifer. Rüsselphobiker. Sackverschmäher.
    Jedes Mal, wenn das leise Klirren seines Löffels erklingt, zucke ich innerlich zusammen. Bisher hat es mir auf eine etwas perverse Art Spaß gemacht, ihn zu beobachten wie eine Ratte im Käfig. Jetzt stört mich seine Anwesenheit nur noch, und ich kann es kaum erwarten, dass er uns verlässt.
    Jannik hat mir, als er das Dessert servierte, ein Zeichen gegeben. Alles ist vorbereitet.
    »Wie bist du auf die Idee mit dem Treibhaus gekommen?«, fragt Gemma. »Kam sie dir wirklich erst nach der Versteigerung?« Ich nicke. »Und was hatte Malte damit zu tun?«

    Malte war aus zwei Gründen der perfekte Partner für mich.
    Erstens hatten wir nie Sex miteinander und würden auch nie welchen haben. Das war mir nach meinen Erlebnissen
im Studio sehr recht. Und zweitens brachte er das nötige Know-how mit für das, was ich vorhatte. Malte ist ein Technikgenie, eine Art Q ohne Bond, ohne Girls, ohne unsichtbares fliegendes Tauchauto und das ganze Zeugs.
    Er hatte Leo und mir die Livecam eingerichtet. Während wir unsere Show abzogen und uns über den zweiten treuen User wunderten, war mir nie der Gedanke gekommen, dass sich neben meinem Mann, für den ich den Zauber veranstaltete, auch Malte eingeklickt haben könnte. Ich wusste damals nicht, dass unser Webmaster Malte hieß, er hatte sich mir nur mit seinem Nachnamen vorgestellt. Nachdem unser Live-Channel offline war, blieben wir in Kontakt und schickten uns lange Mails, in denen mir immer wieder seine Ausgeglichenheit und Zurückhaltung auffielen. Es war dann schnell klar, dass unser User und unser Webmaster ein und dieselbe Person waren. Und während der Zeit, die ich bei Gemma verbracht hatte, genoss ich es sehr, dass es da jemanden gab, der mit Abgründen, Sinnsuchen und Ekstasen nichts zu tun hatte. Mein Leben dagegen war für ihn wohl wirklich so etwas wie ein Zoo, ein schriller Papageienkäfig.
    In Sophias Villa erzählte ich ihm von dem Treibhaus. »Das Wichtigste«, sagte ich an diesem Nachmittag bestimmt ein Dutzend Mal, »ist die Sicherheit.«
    Denn das ist der Knackpunkt, warum Frauen nicht einfach mal entspannt zum Ficken ausgehen und es sich besorgen lassen. Dass Frauen nicht zwischen Liebe und Sex trennen können, ist Bullshit. Da kann ich nur lachen: erotisch angesiedelt zwischen Efeu und Emily Erdbeer,
verletzlich und auf Zuwendung angewiesen wie ausgesetzte Welpen an Autobahnraststätten. Wer das glaubt, hat

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