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Vögelfrei

Titel: Vögelfrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Andresky
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gemütlich, chic, spacy und spicy. Und ich wusste auch schon, wen ich als Partner an meiner Seite haben wollte.

6
    MALTE
    DESSERT:
     
    Flambierter Karamellflan
mit Calvadosäpfeln
     
     
    Malte balanciert einen der kleinen glänzenden Äpfel auf seinem Löffel und grinst.
    »Wäre der Calvados einen Gang früher gekommen, hätten wir das normannische Loch machen können.« Er nimmt den Apfel in den Mund, schiebt ihn in eine Backentasche wie ein Nüsse sammelndes Eichhörnchen und ergänzt, immer noch grinsend: »Faisons le trou normand!«
    Gemma prostet ihm mit einem durchdringenden Blick zu. Sie versucht mal wieder herauszukriegen, was sein erotisches Geheimnis ist, wieso sie bei ihm so gar kein Entgegenkommen spürt. Liebste Gemma, da ist alles Bemühen vergebens. Ich weiß das, wenn ich es auch nicht verstehe.
    Leo rührt seinen Flan mit einer Kraft um, als wäre es Müsli. »Was ist das normannische Loch? Was Schwules?«
    Wir lachen.
    »Du solltest es in deinen Angebotskatalog aufnehmen«, schlage ich Gemma vor, die sich zu Leo lehnt und ihn fast mütterlich aufklärt.

    »Es bedeutet lediglich, zwischen zwei Gängen einen Calvados zu trinken, um den Magen aufzuräumen.«
    Aber die Vorstellung, dass Malte sich bei einem opulenten Dinner mit lauter blutjungen, muskulösen, wie von Jean Cocteau erdachten Matrosen homoerotischen Ekstasen hingeben könnte, gefällt mir. Ich sähe ihn gern einmal entfesselt, orgiastisch verzückt, berauscht von Lust oder einfach nur geil. Doch das wird wohl nicht passieren. Bei der ersten und einzigen Veranstaltung unseres gemeinsamen Clubs, dem Treibhaus, hat er sich jedenfalls nicht an der Orgie beteiligt.
    Ich lutsche genüsslich den Flan, wobei ich den Löffel im Mund umdrehe und mit der Wölbung gegen den Gaumen drücke, wie es Kinder machen; das habe ich mir nie abgewöhnen können. »Wäre das was für dich?«, frage ich Malte. »Stehst du vielleicht auf Jungs?«
    Malte streicht sich durch die Haare und reibt seinen grauen, stoppeligen Bart, als müsse er darüber nachdenken. Einer meiner dicken Kater springt ihm wie bestellt auf den Schoß und schnurrt. Die beiden haben einen ähnlich grantigen Gesichtsausdruck und könnten glatt als Bauchrednernummer durchgehen.
    »Als ich ein paar Jahre verheiratet war«, sagt er, »hab ich mir auf einer Dienstreise in einer Nebenstraße in Tanger von einem Stricher einen blasen lassen, weil ich dachte, das müsste man doch mal probieren. Ich war ein bisschen bekifft, und es ging auch sehr schnell, aber es hat mich weder angemacht noch berührt. Auch nicht abgestoßen. Im Grunde fand ich Männer hinterher genauso uninteressant wie vorher.«

    Er schiebt sich den zweiten kleinen Apfel in den Mund und verstaut ihn wieder in der Backentasche. Mit Schnurrbarthaaren sähe er fast aus wie Gemmas winselnder Kunde im Labor. Doch dieses Bild schiebe ich beiseite, das hat Malte nicht verdient.
    »Aber ich hab’s trotzdem noch mal probiert. Da war ich schon geschieden, und meine Tochter, meine Güte, die hat mich ununterbrochen gelöchert. Wieso, weshalb, warum ihre Mutter und ich uns getrennt haben. Irgendwann war ich völlig zermürbt, darauf gab’s einfach keine Antwort, also verschwand ich in eine Bar und erlebte den Promilleabsturz. Ein paar Männer haben mich mitgenommen zu einer anderen Bar, da haben wir auch noch ordentlich gebechert. Und am Ende bin ich mit einem von den Typen in seiner Wohnung gelandet. Der erste Rimjob meines Lebens. Ich sag’s euch, kitzlig war’s und ein bisschen peinlich auch. Aber nicht unangenehm. Dann hat er gefragt, ob ich mich ficken lasse, und ich sagte, es sei mir egal.«
    »Merkwürdige Antwort«, unterbricht ihn Gemma.
    Malte nickt. »Aber wahr. Ihn hat’s nicht weiter gestört. Also hat er mich gefickt, und ich hab ihn gefickt. Und am nächsten Morgen kriech ich mit der Erkenntnis aus seinem Bett, dass das bestimmt nicht der Scheidungsgrund war. Hab ich meiner Tochter natürlich nie erzählt. Und versucht hab ich es auch nicht wieder.«
    »Mit Männern?«, hake ich nach. »Oder mit Sex?«
    Malte kaut seinen Apfel und balanciert gleichzeitig einen Löffel Flan zum Mund. Er ist durch nichts aus der Ruhe zu bringen.

    »Sex hatte ich schon noch. Eine Freundin war gerade mal so alt wie meine Tochter. Dann hatte ich One-Night-Stands, haufenweise. Einen Tantrakurs gab’s auch mal. Und ich war mit einer dominanten Frau zusammen. Blöderweise hat die geschwäbelt, ihr wisst schon, ›das Mösle‹, ›das

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