Voellig durchgeknallt
zusammen und warf sie ans Fenster. Ich inspizierte meinen Finger. Er sah ziemlich krass aus und unter dem Verband war die Haut ganz bleich. Auf dem Stumpf saß ein dicker Schorfplacken. Aber es kam kein Eiter mehr raus und geschwollen war er auch nicht mehr. Die ekligen Blasen waren eingetrocknet und insgesamt sah er halbwegs passabel aus. Ich machte die Augen zu und versuchte wieder einzuschlafen.
Ich hockte jetzt schon fünf Stunden in dem Zimmer.
Als mich endlich jemand holen kam, war ich ganz schön stinkig. Mir war heiß, ich hatte Angst, ich war müde und hatte einen Bärenhunger. Der Beamte führte mich durch unzählige Türen und Flure. Er hatte einen Riesenschlüsselbund am Gürtel hängen wie im Kino. Er brachte mich in einen anderen Raum, wo ich vernommen wurde. Eine Frage lautete: »Hast du schon mal versucht, dich selbst zu verletzen?«
Meine Fresse. Das waren ja schöne Zustände hier! Der Beamte nahm mir meine Uhr, mein Geld, meine Schlüssel und alles andere weg.
Dann kam das Allerschlimmste.
Die Leibesvisitation.
Eigentlich will ich gar nicht mehr dran denken. Jedenfalls waren es zwei Typen, einer hat mich durchsucht, der andere stand einfach nur dabei. Sie wollten es ein bisschen |84| witzig gestalten, aber mir war nicht zum Lachen. Noch nie im Leben hab ich mich so beschissen gefühlt. Sie haben mir den Verband vom Finger gerupft und alles. Als sie fertig waren, hat das Pflaster nicht mehr richtig geklebt und ich musste es andauernd wieder festdrücken. Als endlich alles vorbei war, war ich so scheißfroh, dass ich fast geheult hätte. Hab ich aber nicht.
Dann bekam ich Knastklamotten überreicht, graue Hosen, T-Shirts und ein Sweatshirt. Sogar Knastschuhe, -socken und -unterhosen. Eklige Klamotten. Ich seh darin voll bescheuert aus. Hoffentlich muss ich Lexi nie in dem Aufzug unter die Augen treten.
Als Nächstes musste ich mich ärztlich untersuchen lassen. Es war gegen zwanzig Uhr und ich war hundemüde.
Arzt (schaut sich meine Hand an): »Was hast du da?«
Ich: »Nichts.«
Arzt: »Mach das mal ab.«
(Ich mache den Verband ab.)
Arzt: »Uääh!«
Ich: »Vielen Dank auch.«
Arzt: »Wann ist das passiert?«
Ich: »Keine Ahnung, so vor drei, vier Wochen.«
Arzt: »Und wie?«
Ich: »Mein Hamster.«
PAUSE.
Arzt: »Du hältst dich wohl für witzig?«
Ich: »Ja.«
Arzt: »Irrtum.«
|85| Er meinte, ich hätte großes Glück gehabt, dass sich der Stumpf nicht entzündet hat, und wollte wissen, ob es noch wehtut, und ich hab ja gesagt, obwohl es nicht mehr schlimm ist. Und er hat gesagt, er darf mir keine Schmerztabletten geben, denn die könnte ich horten und eine Überdosis schlucken. Dann hat er noch gesagt, ich soll ihn sofort holen lassen, wenn der Finger rot wird oder heiß oder wenn er richtig wehtut oder anfängt zu nässen oder wenn mir schwindlig wird. Ich hab gestaunt, dass er die Sache so cool nimmt. Ich dachte, er bringt mich sofort ins Krankenhaus und lässt mir von den Chirurgen einen Roboter-Finger oder so was anpassen. Aber nein, er hat den Stumpf bloß gewaschen und frisch verbunden, und dann hat er mir ein Päckchen Mullbinden, Jodlösung und Pflaster mitgegeben und gesagt, ich soll mich wie bisher drum kümmern, dann wär alles bestens. Wahrscheinlich hat er als Knastarzt schon Schlimmeres gesehen.
Ich dachte, jetzt werde ich endlich in meine Zelle gebracht, aber ein anderer Beamter führte mich in einen anderen Raum, wo an den Wänden lauter Spinde und Schränke standen. Der Typ hätte Jubys großer Bruder sein können. Er hatte dieselbe Schrankstatur und denselben »Mach-ja-kein’-Scheiß!«-Blick. Er wollte wissen, ob ich Raucher bin. Ich sagte Nein, weil ich keine Lust auf eine Moralpredigt hatte, und er ging an einen Schrank und holte eine Tüte raus.
»Hier hast du dein Begrüßungspaket. Sieh zu, dass es ’ne Weile vorhält.«
In der Tüte waren ein Marsriegel, ein Snickers, 2,50 |86| Pfund, eine Telefonkarte mit zwei Pfund drauf, eine Zahnbürste, ein kleines Stück Seife und zwei Packungen Zahnpasta und Shampoo.
Später hab ich gehört, dass er mir, wenn ich »Raucher« gesagt hätte, statt der Süßigkeiten Tabak gegeben hätte. Ich hatte einen Mordshunger und wickelte das Mars gleich aus.
»Steck das weg oder ich schmeiß es in den Müll«, sagte der Wärter. So wie er es sagte, hab ich den Riegel sofort wieder in die Tüte gesteckt.
Draußen führte er mich durch einen Hof, der rundum von fünfstöckigen Gebäuden mit lauter
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