Voellig durchgeknallt
versucht einfach, es zu ignorieren, wogegen Mum, glaube ich, eher will, dass ich zu dem stehe, was ich getan habe.
Ich bin in U-Haft , weil ich schon ein Vorstrafenregister habe. Um ehrlich zu sein, ich war schon so oft in Schwierigkeiten, dass es mich selber wundert, dass die mich nicht |80| schon eher eingebuchtet haben. So kann’s einem gehen, wenn man brav zur Schule dackelt. Ich hätte eben doch zu Hause bleiben sollen. Oma lässt die Bullen nicht rein. Ich habe Bullen-Polly den Brief an Lenny Darling gegeben und sie gebeten, ihn einzuwerfen. Als sie die Adresse gelesen hat, hat sie komisch geguckt, aber gesagt hat sie nichts. Hoffentlich wirft sie den Brief ein. Auf Polizistinnen kann man sich nicht verlassen – auf Frauen allgemein nicht.
Ein Begleitbeamter hat mich hergefahren, und ich geb zu, dass ich ganz schön Angst gekriegt habe, als wir durch das elektronisch gesicherte Tor und die Auffahrt zu diesem hässlichen Kasten hochgefahren sind. In der Aufnahme hat sich ein anderer Typ meinen Namen aufgeschrieben und mich in ein Zimmer mit braunen Wänden, einem winzigen Gitterfenster und einem fleckigen grünen Teppich gebracht. Es gab drei Stühle. Ich hab mir den ausgesucht, der noch halbwegs ganz war, und ihn in eine Ecke gezogen. Dann hab ich mich hingesetzt und gewartet. Ich hatte nichts zu essen oder zu trinken und auch sonst nichts zu tun. Irgendwann hab ich den Stuhl ans Fenster gezogen und versucht rauszuschauen, aber die Scheibe war aus Milchglas und außerdem dreckig. Also bin ich wieder runtergestiegen und hab mich wieder hingesetzt.
An der Wand hing ein Plakat.
BEVANPORT DULDET KEINERLEI SCHIKANEN
GEGENÜBER ANDEREN INSASSEN.
WENN JEMAND SIE SCHIKANIERT,
|81| WENDEN SIE SICH AN IHREN BETREUER ODER AN
EINE ANDERE VERTRAUENSPERSON.
WENN SIE SELBST JEMANDEN SCHIKANIEREN,
KOMMEN SIE DAMIT NICHT DURCH.
WENN SIE ERWÄGEN, SICH ETWAS ANZUTUN,
LASSEN SIE ES BLEIBEN.
SPRECHEN SIE MIT UNS.
WIR HELFEN IHNEN.
Klang ja nicht grade vielversprechend.
Ich hatte das Plakat bestimmt tausendmal gelesen, bis ich mich entschloss rauszufinden, ob man mich vergessen hatte. Ich machte die Tür auf, aber ich hatte noch nicht den Fuß über die Schwelle gesetzt, da brüllte der Typ in der Aufnahme schon: »DRINBLEIBEN!«
Ich ging wieder rein und suchte mir zur Abwechslung einen anderen Stuhl. War das womöglich meine Zelle? Kam vielleicht irgendwann jemand? Kriegte ich denn nicht mal ein Bett?
Nach einer endlosen Stunde machte ich die Tür noch mal auf.
»DRINBLEIBEN, HAB ICH GESAGT!«
»Ich muss pinkeln.« Ich streckte den Kopf so vorsichtig durch den Spalt, als ob draußen lauter Scharfschützen lauern würden.
»DU MUSST PINKELN, HÄ?«
Das war nicht so schwer. Das konnte ich beantworten. »Ja, ich muss pinkeln, Sir.« Da war die Schule doch wenigstens mal für etwas gut.
|82| »LINKS, WIEDER LINKS, VIER MINUTEN!«, brüllte der
Typ.
Ich war unschlüssig. Wollte er damit sagen, dass man bis zum Klo vier Minuten unterwegs war, oder meinte er, dass ich in vier Minuten wieder zurück …?
»LOS!«, brüllte der Typ.
Ich marschierte los. Wieso brüllte mich der Blödmann eigentlich an? Schließlich war ich nur in U-Haft hier. Bis mir jemand das Gegenteil nachwies, war ich unschuldig. Vielleicht verwechselte er mich ja mit irgendwem.
In drei Minuten und achtundvierzig Sekunden war ich wieder zurück. Ich ging im Zimmer auf und ab und lauschte meinem knurrenden Magen. Ich hatte solchen Hunger, dass ich schon dachte, ich kippe um. Für einen Burger, einen Schokoriegel oder sogar einen Teller von Omas Mikrowellen-Nudeln wäre ich mit Freuden gestorben.
Ich weiß nicht, wann ich eingeschlafen bin, aber ich erinnere mich noch, dass ich im Traum einen Riesenkrug Limonade ausgetrunken habe. Irgendwann schlug ich die Augen auf und schaute auf meine Armbanduhr, und die zeigte 17:45.
Ich machte die Tür auf.
»Kann ich was für dich tun?« Diesmal saß ein alter Opa mit weißem Schnauzer hinterm Tresen. Er wirkte ein bisschen umgänglicher als der andere Typ.
»Ja.« Ich hielt nach dem Brüllaffen Ausschau. »Ich heiße Chas Parsons und ich warte hier schon drei Stunden und bin am Verhungern.«
Schnauzer guckte auf sein Klemmbrett, holte mir eine |83| Tasse Tee und eine Tüte Chips und schickte mich wieder in den Warteraum. Ich trank den Tee aus und verschlang die Chips, am Schluss krempelte ich sogar die Tüte um, damit auch ja kein Krümel vergeudet wurde. Dann knüllte ich die Tüte
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