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Voellig durchgeknallt

Voellig durchgeknallt

Titel: Voellig durchgeknallt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ally Kennen
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vergitterten Fensterreihen umgeben war. Nach der stundenlangen Warterei tat die frische Luft im Gesicht echt gut. Es war ein warmer Abend und die Sonne war grade am Untergehen. Jetzt hing unsere Clique garantiert vollzählig am Kanal ab. Bei der Hitze hatten die Mädels bestimmt nicht viel an.
    »WIESO BISTE HIER?«
    Ich blickte auf. Aus einem Fenster hoch oben wedelte ein Arm.
    »WER BIST DU?«
    Aus einem Fenster am Rand winkte eine Hand.
    Dann traf mich irgendwas und ein Riesenjubel brach aus. Danach kam es mir vor, als würde aus sämtlichen Fenstern jemand rufen.
    »WIE HEISST’N DU?«
    »BIST DU SCHWUL?«
    Ich schaute an mir runter und stellte fest, dass mich eine Coladose getroffen hatte. Um mich rum johlte, krakeelte |87| und brüllte es. Hände winkten aus den Fenstern, Fäuste hämmerten an die Gitter.
    »HASTE TABAK?«
    »DAS IS’N BEKLOPPTER.«
    Ich marschierte schneller hinter dem Wärter her und wich dem nächsten Wurfgeschoss aus. Diesmal war es eine Rolle Klopapier.
    »HE, SING MAL WAS!«
    Ich spürte die ganzen Blicke auf mir und merkte, dass ich rot wurde.
    Es war wie in dem Film
Gladiator
, wo der Typ in die Arena tritt und die Menge johlt und lechzt nach Blut.
    »WO KOMMST’N HER?«
    Ich war froh, als wir wieder drinnen waren.
    Endlich kamen wir in meine Zelle. Zum Glück war sonst keiner drin.
    Der Wärter schloss hinter mir ab und ich ließ mich auf den Boden plumpsen. Da blieb ich eine Ewigkeit sitzen. Ich war total neben mir, die Beine und Arme taten mir weh und waren bleischwer. Ich klemmte den Kopf zwischen die Knie und machte die Augen zu.
    Chas Parsons hatte keine gute Nacht.
     
    Ich gehe vom Fenster weg und setze mich auf das an die Wand geschraubte Bett. Darauf liegt eine dünne, klumpige Matratze. Sonst gibt es hier drin noch ein Stahlklo ohne Brille, ein Waschbecken mit einem Hahn (nur kaltes Wasser), einen Tisch mit Stuhl, Neonlampen, von denen einem die Augen wehtun, und ein paar Regale für mein Zeug. Ich |88| besitze zwei Knasthosen, drei T-Shirts , ein Sweatshirt, drei Paar Knastunterhosen und -socken, eine Knastjacke und eine mit Tesa an die Wand geklebte Postkarte (in der Form von einem Papageientaucher).
    Außerdem besitze ich einen Plastikbecher und einen Pappteller mit einem Ingwerkeks drauf. Es gibt weder Fernseher noch Stereoanlage. Viele Jungs haben ein Radio, ich nicht. Die Dinger plärren dermaßen laut, dass ich sowieso keins brauche. Ich besitze auch einen Stift und ein bisschen Papier, ein Päckchen Verbandsmull und ein Fläschchen Jodlösung. Das ist alles, abgesehen von meinem »Begrüßungspaket«. Ich bin im
Cotswold
gelandet, einem der vier Gebäude, die den Hof einrahmen. In meinem Trakt sitzen ungefähr fünfzig Jungs, alle zwischen vierzehn und achtzehn. Manche sind U-Häftlinge wie ich, aber die meisten sitzen hier ihre Strafe ab. Mir ist so todlangweilig, dass ich schon ganz kirre werde. Inzwischen bin ich eine Woche hier und habe es bis jetzt geschafft, nicht groß aufzufallen. Ich habe mich möglichst unsichtbar gemacht. Ich hab keinen Bock auf Ärger. Ich will das hier einfach nur hinter mich bringen. Ich geb’s nicht gern zu, aber ich hab Schiss. Ich hab keine Ahnung, wie das hier drinnen läuft. Die anderen Jungs wissen, dass ich neu bin, aber bis jetzt hat mich noch keiner angequatscht. Kann ja noch kommen. Ich bin nicht mehr so niedergeschlagen wie am ersten Abend, aber ich habe irgendwie gar keine Kraft und weiß nicht, wie ich irgendwen ansprechen soll. Als hätte mich mein ganzer Humor schlagartig verlassen. Ich mag nur noch schlafen. Ich bringe schon Tag und |89| Nacht durcheinander, weil ich tagsüber größtenteils durchpenne und dafür nachts wach liege, in der Zelle auf und ab gehe oder beobachte, wie die Marineschiffe aus dem Hafen auslaufen.
     
    Ich dachte, ich kriege bloß wieder Sozialstunden aufgebrummt oder darf mich mit irgendwem amüsieren, der mir beibringt, wie ich ein besserer Mensch werde, während wir kaputte Fahrräder wieder flottmachen. Stattdessen bin ich hier in Bevanport eingebuchtet, das den Ruf hat, landesweit eine der übelsten Einrichtungen für jugendliche Straftäter zu sein. Einer von Devils Kumpels ist vor einem Jahr hier gelandet und er fand’s wohl echt beschissen. Ich habe immer noch keinen Verhandlungstermin. Angeblich werden U-Häftlinge hier besser behandelt als schon Verurteilte, aber davon habe ich noch nichts gemerkt.
    Ich muss andauernd an Devil denken. Mein Anwalt hat gemeint, wahrscheinlich kommt er

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