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Voellig durchgeknallt

Voellig durchgeknallt

Titel: Voellig durchgeknallt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ally Kennen
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ist mir viel zu ordentlich, es sieht aus wie im Knast. Am liebsten würde ich das Poster wieder abreißen und meine Sachen mit den Füßen über den Boden verteilen, um wieder ein bisschen Unordnung in mein Leben zu bringen, aber das kann ich Oma nicht antun. Ich lege mich aufs Bett auf die Seite. Mein Digitalwecker zeigt mit großen grünen Ziffern die Zeit an. 20:46.
    Ich drehe mich auf den Bauch und versuche, Lennys Gesicht aus dem Kopf zu kriegen.
    And maybe one day, I’ll be in your dreams again.
     
    Als Oma am nächsten Abend in ihren Seniorenclub geht, raffe ich mich auf, mit Mum ein Wörtchen über Lenny zu reden.
    Sie steht vor dem Flurspiegel und begutachtet ihre Frisur. Sie trägt eine dicke Perlenkette, jede Perle hat eine andere Farbe. Meine Mutter zieht sich an wie ein Hippie. Sie sollte mal zu New Look gehen und sich ein paar vernünftige Klamotten besorgen.
    »Ich hab ein graues Haar.« Sie betastet ihren Kopf. »Hilf mir doch mal, Chas, ich kann’s nicht finden.«
    |167| »Nein.« Ich rühre mich nicht von der Stelle. Ich hocke auf der untersten Treppenstufe.
    »Musst du aber. Wegen dir hab ich’s nämlich gekriegt.« Ich schweige.
    »Ich hab mir solche Sorgen um dich gemacht, dass meine Haarpigmente gelitten haben.«
    Ach so, und deswegen hast du mich jede Woche im Knast besucht?
    »Erwischt.« Sie hat ein ganzes Büschel Haare in der Faust.
    »Lass das«, sage ich. »Du siehst mit Haaren viel hübscher aus als ohne, auch wenn ein paar graue dabei sind.« Ich will nicht, dass sie sich wieder den Kopf kahl rasiert. Das hat sie jahrelang gemacht und es sah scheußlich aus.
    »Ich werd alt!«, jammert meine Mutter.
    »Ich auch.«
    Mir gefällt das hier nicht. Genauso hat sie sich früher immer aufgeführt. Hoffentlich kriegt sie nicht wieder einen von ihren Anfällen.
    »Wenn ich alleine wohnen würde, wär alles gut«, sagt sie. »Wenn ich mir um dich keine Sorgen mehr machen müsste und Oma nicht dauernd an mir rummeckern würde.«
    »Warum ziehst du dann nicht einfach aus?«
    Aber Mum schüttelt bloß den Kopf.
    Bei mir schrillen sämtliche Alarmglocken. Mum kann’s nicht leiden, wenn man sie bedrängt, aber ich muss die Gelegenheit nutzen.
    »Warum verabredest du dich mit Lenny, Mum? Du weißt doch, wieso er gesessen hat.«
    |168| »Er ist unschuldig. Und du bist immerhin ein Dieb. Eigentlich müsste ich
dir
aus dem Weg gehen.«
    »Du hast was Besseres verdient, Mum.«
    »Lenny ist nett zu mir. Außerdem legt ihm keiner einen Frauenmord zur Last.«
    Herrje. Es hat sie voll erwischt. Und ich werde das Gefühl nicht los, dass er ihr grade
wegen
seiner finsteren Vergangenheit gefällt.
    »Er wurde wegen Mord verurteilt«, sage ich.
    »Aber wenn der amerikanische Staat glaubt, dass er unschuldig ist, wieso kannst du das nicht glauben?«
    Weil der amerikanische Staat nicht mit meiner Mutter ausgeht
, erwidere ich stumm.
    »Wenn er unschuldig ist, warum hast du dann nicht allen von ihm erzählt?«, frage ich.
    »Die Leute hier sind doch alle wie du. Sie übertreiben. Außerdem«, fährt sie fort, »geht dich das nichts an.«
    »Doch! Es ist schließlich meine Schuld, dass er hier ist.« »Glaub mir, er ist ein guter Mensch.« Sie kriegt Sternchenaugen.
    Und das sagt ausgerechnet Mum. Mum, die noch vorletztes Jahr das ganze Haus zusammengebrüllt hat, wenn sie jemanden in Uniform gesehen hat. (Der Postbote hat sich dran gewöhnt.) Mum, die nichts Gelbes essen wollte (Bananen, Nudeln, Pommes, Kartoffeln, Mais und was nicht alles), weil es »seine Farbe von der Sonne bezieht« und weil »wir alle erfrieren, wenn die Sonne geschwächt wird«, und das weiß sie genau, weil sie »in Physik damals fast eine Eins gekriegt hätte«.
    |169| Verstehst du, was ich meine? Die Frau ist total übergeschnappt.
    »Um Himmels willen, gönn mir doch auch mal ein bisschen Glück!«, sagt sie jetzt. »Mach mir nicht wieder alles kaputt.«
    Ich gehe hoch und lege mich aufs Bett. Ich krieg das Ding mit Lenny einfach nicht gebacken. Einerseits sagt ein Stimmchen in mir: Komm schon, Chas, die haben den Typen auf freien Fuß gesetzt. Vielleicht ist er wirklich unschuldig, gib ihm doch eine Chance. Stell dir vor, wie beschissen du es fändest, wenn man dir eine Tat vorwirft, die du nicht begangen hast, und du um ein Haar mit dem Leben dafür bezahlt hättest, und dann kommt so ein Blödmann wie du an und pisst dir deswegen ans Bein. Aber als ich ihn gestern kennengelernt habe, hatte ich ein saublödes Gefühl. Er hat mir

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