Voellig durchgeknallt
überhaupt gar nicht gefallen. Woran das liegt, weiß ich selber nicht. Er ist weder so ein brutaler Schrank wie Killer-Juby noch ein Spinner wie Devil. Er hat bloß so eine Art, die nicht normal ist. Und ich begreife nicht, was er an meiner Mutter findet. Ich hab irgendwie Schiss, dass er etwas ganz anderes im Schilde führt. Aber was?
|171| DRITTER TEIL
|173| Vierzehn
Am nächsten Morgen bleibe ich ewig liegen, bis ich mich aufraffen kann, irgendwem gegenüberzutreten. Ich bin um sieben aufgewacht, denn da klingelt’s in Bevanport immer. Um acht stelle ich mir vor, wie die anderen in der Frühstücksschlange stehen. Wie es wohl Devil »drüben« geht? Ich inspiziere meinen Stummel und mir fällt wieder ein, was Devil gesagt hat. Dass mein Finger am Verschimmeln ist und dass er ihn an einen Hund verfüttern will. Mein Finger gehört mir und ich will ihn wiederhaben. Solange Devil ihn hat, kommt es mir vor, als ob ich irgendwie in seiner Gewalt bin.
Als ich runtergehe, sind schon alle weg. Auf der Arbeitsplatte in der Küche liegt ein Zettel mit Omas Krakelschrift.
Bin bei Dolores. Deine Mutter ist bei ihrem Kurs. Bin gegen Mittag wieder da. Mach die Küche nicht dreckig. Kuchen in der Dose. Lass was übrig.
Nach dem Frühstück (ich esse fünf Scheiben Toast, einfach, weil sie da sind), wickle ich ein Stück von Omas Kuchen (Walnuss-Banane, selbst gebacken, aber genießbar) in ein Küchenhandtuch, stecke das Paket in die |174| Jackentasche und gehe raus. Draußen ist Superwetter, die Sonne scheint. Eigentlich will ich zum Kanal, aber auf der Brücke kriege ich Muffensausen und gehe stattdessen in Richtung Schrebergärten. Vielleicht bin ich noch nicht so weit, den anderen zu begegnen. Außerdem ist heute Schule. Ich zwänge mich durch das Loch im Zaun. Es sind nur noch ungefähr zehn Parzellen übrig, weil ein Bauunternehmer das Gelände für irgendein Riesenprojekt gekauft hat. Überall stehen Kipplaster und Bagger rum und zwei Riesenkräne ragen in den Himmel. Die Parzellen sind alle verlassen und verwildert – bis auf eine.
Michael, der Mann von Dolores, sitzt auf seinem Stuhl und trinkt Tee.
»Na, viel um die Ohren?«, erkundige ich mich, worauf er erschrickt und sich den Tee über die Hand kippt.
»Sieh dir das an!« Er wedelt in Richtung Baustelle. »Das war mal mein Paradies. Und jetzt so was! Ein Schandfleck. Die Gemeinde hat uns verraten und verkauft.«
Mit Michael verhält es sich nämlich so, dass er kein Wort sagt, wenn man ihn auf der Straße trifft oder wenn Dolores ihn zu Oma mitnimmt. Er lässt die andern reden und schweigt vor sich hin. Aber hier auf seinem Grundstück ist er wie ausgewechselt. Nicht grade eine Plaudertasche, aber er spricht. Sein Schrebergarten ist wie eine andere Welt. Er hat Bambus gepflanzt, der voller Blätter ist, und rote Blumen, in denen haufenweise weiße Schmetterlinge rumflattern. In seinem Garten gibt es lange Reihen mit Gemüse und seine Blumen sehen um Längen besser aus als die von Oma.
|175| »Himmlisch, was?«, fragt Michael. »Dieser Himmel hier hat bloß einen Haken: Er ist näher an der Hölle dran, als einem lieb ist.« Er deutet mit dem Kinn auf die Baustelle nebenan.
Ich bin ganz seiner Meinung. Mich hat dieser ganze Bobder-Baumeister-Kram auch nie interessiert. Man braucht sich die armen Teufel doch nur ansehen, wie sie an ihren Presslufthämmern abwechselnd erfrieren oder sich totschwitzen, dann kapiert man gleich, dass das Bauarbeiterdasein ein hartes Brot ist.
»Wie lange dürfen Sie noch hierbleiben, bis Sie rausgeschmissen werden?«
Michael seufzt. »Erst hat es sechs Wochen geheißen, damit man noch alles abernten kann, aber jetzt kann es auch noch länger dauern. Da drüben tut sich überhaupt nichts. Die Baufirma streitet sich mit dem Projektleiter. Seit einer Woche hat da keiner mehr eine Schaufel aufgehoben. Dadurch habe ich noch ein bisschen Luft. Meine Nachbarn haben schon alle das Handtuch geworfen.« Er zeigt zu den verwilderten Parzellen rüber. »Aber ich hab schon immer leidenschaftlich für das Gute gekämpft.«
Er sieht mich prüfend an. »Hast du nicht gesessen, junger Mann?«
»Jep«, bestätige ich ein bisschen angeberisch. Ich hole einen Blechpott aus der Laube und gieße mir Tee ein.
»Eine Schande«, sagt Michael.
Er schlürft seinen Tee und sieht mich an. Ich mache mich drauf gefasst, dass er mir jetzt einen Vortrag über die Verschwendung von Steuergeldern oder so hält.
|176| »Die Bienen machen mir
Weitere Kostenlose Bücher