Voellig durchgeknallt
Kummer«, sagt er. »Ich glaub, die hecken was aus. Muss an der Hitze liegen. Es ist zu früh im Jahr warm geworden.«
Ich sitze auf einem umgedrehten Eimer und trinke Tee. Es kommt mir vor, als ob mehr Bienen als sonst rumschwirren, aber im Grunde hab ich keine Ahnung. Seit ich im Bau war, kann ich irgendwie nicht mehr beurteilen, was normal ist. Ich betrachte die säuberlich bepflanzten Gemüsebeete. Michael hat überall Stangen und Netze aufgestellt. Wie eine eigene kleine Baustelle. Ich überreiche ihm den zerbröselten Kuchen aus meiner Tasche.
»Hat den deine Großmutter gebacken?«, fragt er misstrauisch.
Ich zucke die Achseln.
»Dann lieber nicht.« Er gibt mir den Kuchen zurück.
Meine Uhr piept zur vollen Stunde. Es ist zwei. Die Mittagspause ist um und alle Schüler gehen wieder in ihre Klassenzimmer. Devil allerdings sitzt wohlverwahrt im Knast, und zwar »drüben«.
Mir kommt eine Idee.
»Schön, dass du wieder da bist, Junge«, sagt Michael.
Ich gehe zum Kiosk, einen Schokoriegel und Cola kaufen. Ich brauche Aufputschmittel. Im Radio singt ein Mädchen, wie cool sie ist, und auf dem Tresen steht ein Karton mit glitzernden Spielzeugzauberstäben. Mum hätte bestimmt gern einen.
Ich schiebe der Frau hinterm Tresen drei Coladosen und ein Mars hin.
|177| Früher haben Devil und ich freitags, wenn ich keinen Bock mehr auf Schule hatte, oft bei ihm zu Hause abgehangen. Das ging, weil Juby freitags immer weg ist, so sicher wie das Amen in der Kirche, denn da hat er entweder seine Autos ausgeliefert oder irgendein Haus renoviert oder was er sonst so macht, um seine Kröten zu verdienen. Er kommt erst wieder, wenn es dunkel wird. Darum haben Devil und ich uns freitags, wenn ich genug von der Schule hatte, ein paar Büchsen aus dem Kühlschrank geholt und den ganzen Tag X-Box gespielt oder uns ein paar von Jubys nicht ganz jugendfreien Videos reingezogen, die er einfach rumliegen lässt. Freitag war echt ein ziemlich guter Tag.
Ich trinke Cola und streiche mit dem Daumen über meinen Stummel, als ich Jubys Haus ansteuere. Jetzt ist die beste Gelegenheit, mir meinen Finger wiederzuholen. Devil hatte schon immer eine kranke Vorliebe für Blut, Gedärm und solches Zeug. Wenn er auf der Straße ein totes Tier liegen sieht, bleibt er stehen und stochert drin rum, so einer ist er. Er schaut sich in der Glotze sämtliche Krankenhausserien und Live-Operationen an. Auch das Messerspiel war seine Idee. Ich habe den Verdacht, dass er vielleicht probiert hat, meinen Finger auszustopfen oder zu sezieren oder so. Warum ich so scharf drauf bin, mir das Ding wiederzuholen, weiß ich selber nicht, aber so ist es nun mal. Vielleicht wär’s mir schnurz, wenn ich mich nicht mit Devil gezofft hätte. Vielleicht hab ich ja Schiss, dass er irgendein Voodoo damit veranstaltet. Egal, in einer halben Stunde bin ich da drin und wieder draußen. Wenn ich den |178| Finger nicht gleich finde, verdufte ich wieder. Man wird ja wohl mal nachsehen dürfen, oder? Ich weiß, wie man ins Haus der Jubys reinkommt. Man muss hinten rumgehen, den Schlüssel unter der lockeren Verandafliese vorholen und die Küchentür aufschließen. Ich und Devil haben das tausendmal gemacht.
Ich warte auf der Straße, bis niemand mehr zu sehen ist. Ich beobachte die Häuser, ob irgendwer hinterm Vorhang steht und spioniert. Es wäre nicht günstig, wenn sich rumspricht, dass Chas Parsons bei Juby eingebrochen hat. Die letzte Cola schaffe ich nicht mehr und stelle die Dose auf den Bürgersteig. Nach zweieinhalb Dosen bin ich aufgedreht und total hibbelig.
Du schaffst das!
, mache ich mir Mut. Als die Straße leer ist, schleiche ich mich an, tipple auf Zehenspitzen den Weg ums Haus rum und husche nach hinten in den Garten. Statt Garten müsste man eigentlich Parkplatz sagen, denn Juby hat das ganze Grundstück zubetoniert. Dort gibt es nicht viel zu sehen, bloß Lexis altes Fahrrad und eine rostige Waschmaschine mit eingebautem Trockner. Auf der Veranda stehen ein weißer Plastiktisch mit schwarzen Schimmelflecken und zwei wacklig aussehende Stühle. Ein schiefer Holzzaun markiert die Grenze zu den Nachbarn. Bevor ich den Schlüssel hole, muss ich mich vergewissern, dass Juby nicht doch da ist. Ich habe das Haus schon von der Bushaltestelle und der kaputten Telefonzelle aus zwanzig Minuten lang beobachtet und nichts hat sich geregt. Aber sicher ist sicher. Ich schleiche zur Hintertür und spähe durch die Milchglasscheibe. Die Küche ist leer, keiner
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