Voellig durchgeknallt
was passt gar nicht zu ’nem harten Typen wie Devil.
Ich lasse den Raum zurück, wie ich ihn vorgefunden habe: als totalen Saustall.
Hm … wenn ich jemandem den Finger geklaut hätte, was würde ich damit anfangen?
|182| Wegschmeißen?
Meinem schlimmsten Feind ins Bett legen?
Behalten?
»Tja, Devil«, sage ich laut, »wie bewahrt man denn einen Finger auf?« Da fällt mir wieder ein, dass Lexi ein Marmeladenglas erwähnt hat.
Als ich in der achten Klasse war, musste die Biolehrerin uns mal im Fachraum allein lassen. Sie blieb so lange weg, dass ein paar von uns Jungs aus Neugier beschlossen, einen Blick in die Lehrmittelkammer zu werfen. Den Schlüssel bewahrte sie in ihrer Schreibtischschublade auf, das hatten wir längst rausgekriegt, und die dumme Nuss hatte vergessen, ihn mitzunehmen. Ich gebe zu, dass ich der Anführer der Aktion war, aber ich fand, es war schließlich meine Schule, da war doch der Inhalt der Kammer bestimmt pädagogisch wertvoll. Wir holten uns also den Schlüssel, schlossen die Kammer auf und gingen rein. Natürlich hatten wir schon vorher mal reingelinst, immer wenn die Lehrerin oder die Hilfskraft noch mehr Bechergläser und Reagenzgläser oder sonst was rausholten, und es hatte echt spannend ausgesehen, lauter Regale mit Chemikalien, Flaschen, Töpfen, Tiegeln, Büchern und Papierstapeln. Ich und Devil (nach der achten hat er sich in der Schule dann gar nicht mehr blicken lassen) und ein anderer Junge gingen rein, stöberten rum und suchten irgendwas Lohnendes zum Klauen. Ich weiß noch, dass ich ein Fläschchen Natriumhypochlorit in der Hand hatte und überlegte, ob man das Zeug rauchen oder schnüffeln kann, als |183| der andere Junge auf einmal stöhnte und in Ohnmacht fiel.
Rums!
hatte es gemacht, als sein Kopf auf dem Boden aufschlug. Ich weiß heute noch, wer es war, nämlich Eddie Mason. Eddie lag also total weggetreten am Boden und ein paar Mädchen kamen reingerannt, um ihre Erste-Hilfe-Künste an ihm auszuprobieren oder so. Und ich und Devil bückten uns, um ihn hochzuziehen, und sahen dabei, was er gesehen hatte. Ein eingelegtes Ferkel. Ehrlich, ein echtes, winzig kleines Schweinchen in einem riesengroßen Einmachglas. Mausetot schwamm es im braunen Wasser rum. Als mein Blick darauf fiel, wäre ich beinah selber umgekippt.
»Du traust dich nicht, das Glas kaputt zu schlagen!«, stichelte Devil.
Ich sag’s ja, er ist ein Tier.
Ich habe das Glas nicht kaputt geschlagen, sondern Edward Mason an den Füßen aus der Kammer geschleift, und dann hat uns die Biolehrerin erwischt. Devil hat noch ewig von dem Ferkel erzählt. Er fängt jetzt noch manchmal davon an.
»Ey, Chas, weißt du noch, das eingelegte Schwein? Mann, war das krank, das war echt …«
Und darum weiß ich auch, was Devil mit meinem Finger gemacht hat. Er hat ihn eingelegt, wie damals das Ferkel.
Ich stehe wieder in der Küche. Die Wandschränke hängen ziemlich hoch und ich ziehe mir einen Stuhl ran. Kein Mensch geht an die Gläser und Flaschen ganz hinten im Vorratsschrank, stimmt’s? Ein ideales Versteck. Erster Schrank: Konservenbüchsen, Frosties, Schokokekse. Ich |184| krame dahinter rum. Fehlanzeige. Der nächste Schrank sieht vielversprechender aus. Er ist mit eingelegten Zwiebeln, Weinessig und solchem Zeug vollgestopft. Ich nehme mir das oberste Brett vor und taste über die klebrige Staubschicht. Eine Wolke von würzigem orangefarbenem Pulver schlägt mir entgegen. Dann erspähe ich in der hintersten Ecke ein kleines Marmeladenglas mit einer braunen Flüssigkeit. Darin schwimmt etwas, das wie der Zipfel von einer Mini-Wurst aussieht. Als ich das Glas grade runterholen will, höre ich jemanden husten.
Einen Mann. Und er ist nicht mehr weit weg. Er geht ums Haus herum.
Devil kann es nicht sein. Also ist es sein Dad.
|185| Fünfzehn
Juby fummelt unter der Verandafliese nach dem Schlüssel. Es ist zu spät, um hinter den Packungen und Dosen rumzukramen und das Marmeladenglas vorzuholen. Ich muss es stehen lassen.
Nichts wie raus aus der Küche. Die Vordertür ist normalerweise dreimal abgeschlossen, deswegen versuche ich es da erst gar nicht. Ich flitze die Treppe hoch und bleibe auf dem Treppenabsatz stehen. Hier ist Lexis Zimmer. Das ist bestimmt das sicherste Versteck, darum schlüpfe ich rein und mache die Tür zu. Sie hat umgeräumt. Als ich früher ab und zu einen Blick reinwerfen konnte, waren die Wände mit Robbie-Williams-Postern vollgehängt. Ich weiß noch, wie Lexi mal gesagt
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