Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Vogel-Scheuche

Titel: Vogel-Scheuche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren:
Vom Netzwerk:
wo r den war. Sie hielt es für eine Strafe, nicht für eine Würdigung, gab aber dennoch ihr Bestes, weil das eben ihrem Charakter entsprach.
    Und so hatte sie dort sechs Jahrhunderte zugebracht, das Ei bewacht und es gewärmt. Es war ihr lediglich gestattet, jene Eindringlinge aufz u fressen, die das Ei tatsächlich bedrohten, und da sie keinen Fehler beg e hen wollte, war sie damit äußerst vorsichtig. In diesem Fall hatte sie so lange gewartet, bis einer der Eindringlinge das Ei berührte, erst dann war sie zur Tat geschritten.
    Metria erinnerte sich. Sie war damals dort vorbeigesaust, im Spieldienst des Professors Fetthuf, und hatte Jenny und Che in dem Käfig gesehen, wo der Roc die beiden eingesperrt hatte. Zwar hatte Gwenny Kobold den Vogel mit ihrem magischen Stab abgewehrt, so daß keine Seite so recht zum Zuge kam, doch sah es für die Eindringlinge alles andere als günstig aus.
    »Die Angeklagte hat das Ei also treu verteidigt«, schloß Ida.
    »Oh, ja!« bestätigte Gwenny. »Sie war eine ganz furchtbare Verteidig e rin. Aber mit der Zeit begriffen wir, daß sie nur ihre Pflicht tat, und d a für respektierten wir sie. Am Ende deuteten wir unsere Aufgabe um und nahmen nur eine von Roxannes alten, abgelegten Krallen mit, weil die neben dem Ei ins Nest gefallen war und daher ebenso wie dieses zw i schen dem Roc und dem harten Platz lag.«
    Als nächstes rief Ida Okra Ogerin in den Zeugenstand. Die bestätigte, daß sie mit ihren Freundinnen Mela Meerfrau und Ida Mensch vom Simurgh ausgeschickt worden war, um das gestrandete Dreigespann zu befreien, was sie mit Hilfe eines Zeitsamens und etwas Verhandlungsg e schick auch getan hatte. Da Roxanne schon seit einigen Jahrhunderten aus dem Verkehr gezogen war, hatte sie noch nichts davon erfahren, daß Che Zentaur von sämtlichen Flügelungeheuern geschützt werden mußte, damit er irgendwann einmal die Geschichte Xanths verändern konnte. Nachdem sie dies in Erfahrung gebracht hatte, hielt sie sich auch daran.
    Erneutes Murmeln im Publikum, als die Illusion Ida selbst in der Szene zeigte, zusammen mit zwei weiteren Geschworenen sowie drei Zeugen. Doch wieder wurde jede Äußerung vom bösen Blick des Richters zum Verstummen gebracht.
    Okra bestätigte, daß Roxanne sich ehrenhaft verhalten und das Ei ta t sächlich so gut geschützt hatte, wie es in ihrer Macht lag.
    Mela Meerfrau, die nächste Zeugin, trug zur Zeit Beine statt ihres Schwanzes. Sie brauchte etwas Zeit, bis sie ihr ansehnliches Hinterteil in den Zeugenstand bugsiert hatte, so daß die männlichen Zuschauer sogar noch dazu kamen, ihr Gaffen zu beenden, danach bestätigte sie die Au s sage der Ogerin. Am Ende hatten sie Roxanne den Zeitsamen übe r reicht, und der große Vogel hatte ihn nicht dazu verwendet, sie zu ve r nichten, was er durchaus hätte tun können.
    »Also bewies die Angeklagte, daß sie zu ihrem Wort stand«, schloß Ida.
    »Ja. Sie ist ein gutes Geschöpf.«
    Als nächstes kam Phelra an die Reihe. »Du hast die Angeklagte also krächzen hören, wußtest damals aber noch nicht, was ihr Ausruf zu b e deuten hatte«, sagte Ida. »Du warst dir nicht bewußt, daß sie ein Wort benutzte, welches innerhalb des Kontextes, von dessen Existenz sie nichts ahnte, unzulässig war.«
    »Einspruch!«
    »Ich werde es anders formulieren. Für dich war es nur ein gewöhnl i ches Krächzen.«
    »Ja«, bestätigte Phelra.
    »Vielleicht ein Ausdruck der Überraschung oder der Bestürzung, als sie erkannte, daß du nur durch einen Unfall dorthin gelangt warst und daß es eine Menge Mühe bedeuten könnte, dich wieder aus dem Namenlosen Schloß zu schaffen.«
    »Ja. Genau so habe ich es verstanden.«
    »Und tatsächlich hat sie es auch genauso gemeint. Sie konnte deine Sprache zwar verstehen, weil die meisten Tiere sich die Mühe machen, die Sprache der Menschen zu erlernen, obwohl sie sie selbst nicht spr e chen können, ganz im Gegensatz zu der ignoranten Grundeinstellung der allermeisten Menschen selbst. Es frustrierte sie, daß sie dir nicht erklären konnte, wie du nach Hause zurückgelangen würdest.«
    »Ja.«
    »Tatsächlich hätte sie vielleicht als Bild von einer Socke sprechen kö n nen, die zerrissen war und erst mühsam und langwierig geflickt werden mußte, weil die Socke selbst das Problem natürlich nicht verstand.«
    »Aber ja!« stimmte Phelra zu, und ihre Miene hellte sich auf. »So b e trachtet wäre es dann gar kein böses Wort gewesen…«
    »Einspruch!«
    »Stattgegeben. Die

Weitere Kostenlose Bücher