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Vogel-Scheuche

Titel: Vogel-Scheuche Kostenlos Bücher Online Lesen
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könnte sie das Schloß ja so steuern, daß es in den See stürzte anstatt auf dem Boden zu zerschellen. Das wäre immer noch ein furch t barer Aufprall, doch könnte das Wasser ihn vielleicht soweit abfedern, daß wenigstens ihr Ei unversehrt blieb. Das war schließlich alles, was zählte.
    Sie grub die Krallen in die zerfasernde Wolkenlandschaft, richtete sich auf und spreizte die riesigen Schwingen. Sie konnte zwar nicht fliegen, weil der Simurgh ihr für die Dauer ihrer Aufgabe diese Fähigkeit geraubt hatte, doch ihre Flügel konnten immer noch die Luft schlagen und einen kräftigen Rückstoß verursachen. Wenn sie das Schloß nur ein Stück in Richtung See treiben könnte…
    Das Schloß setzte sich in Bewegung – aber in die falsche Richtung. Natürlich, sie hockte ja mit dem Gesicht in Richtung See. Also legte sie die Schwingen schräg, so daß die Wolke herumwirbelte, bis ihr Gesicht vom Wasser fortzeigte. Dann pumpte sie so kräftig, wie sie konnte. Das Schloß war inzwischen wieder ein gutes Stück gesunken, doch bestand immerhin noch die Aussicht, daß es schließlich unten in den See stürzen würde.
    Roxanne schlug so fest, daß sie schon glaubte, ihr Herz müsse gleich zerspringen, während das Land ihr unten entgegenraste. Sie konnte den See nicht mehr erkennen – war das denn wirklich noch die richtige Ric h tung? Es mußte sie sein, weil es die einzige war, in die sie nicht schauen konnte.
    Doch sie durfte das Ei nicht ungeschützt dem Aufprall aussetzen, weil es sonst zerbersten konnte. Als die Baumwipfel immer näher kamen, ließ Roxanne los, wandte sich um und sprang zurück in den Nistsaal. Dort stürzte sie sich auf das Nest, da traf das Schloß auf die Wasseroberfläche.
    Es gab eine riesige Fontäne. Überall um sie herum schossen Wände aus Wasser in die Höhe, bis sie durch die höchstgelegenen Fenster schimmerten. Das Schloß beendete seinen Sturz mit einem plötzlichen, aber nicht verheerenden Aufprall – und sprang wieder in die Höhe. Es hüpfte auf dem Wasser wie ein tolpatschiger Stein! Denn es war Roxa n ne gelungen, es schneller in die Schräglage zu bringen, als es stürzte. So schoß sie an dem Nest vorbei, weil alles außer ihr plötzlich bremste. Schnell fuhr sie herum, um wieder das Nest zu erreichen und es schü t zend zu umhüllen.
    Da kehrte sich alles um, und das Schloß schoß wieder in die Tiefe. Das Ei flog aus dem Steinnest. Roxanne sprang darauf zu, erwischte es mit ihren Krallen – ganz, ganz vorsichtig! –, damit es nicht wieder gegen den Stein prallen konnte. Doch nun stürzte auch sie immer weiter. Also schlug sie hart die Schwingen, um den Fall abzubremsen und das Ei von dem harten Nest fernzuhalten. Normalerweise war die Stelle zwischen dem Roc und dem harten Platz der sicherste Ort in ganz Xanth, doch nicht unter diesen Umständen.
    Das Schloß machte wieder einen Satz und schoß ein zweites Mal in die Höhe. Hart stieß es von unten gegen sie. Die Flügel pufferten den Au f prall ab, und es gelang ihr, auf dem Nest zu landen und das Ei sanft wieder hineinzulegen. Sie spürte einen schrecklichen, betäubenden Schmerz und wußte, daß einer ihrer Flügel gebrochen war.
    Doch hatte sie keine Zeit dafür. Das Schloß hüpfte noch immer über das Wasser, in immer kleiner werdenden Sprüngen, wobei es das Ei g e fährlich durchschüttelte. Roxanne schlug die Flügel unter sich und dem Ei ein und federte seinen Kontakt mit dem harten Nest ab.
    Endlich hörte die schreckliche Bewegung auf. Halb erleichtert stieß Roxanne einen Krächzer aus – dann merkte sie, daß doch noch Bew e gung vorhanden war. Das Schloß versank im See!
    Sie verließ das Nest, das im Augenblick in Sicherheit war, und kletterte wieder hinaus. Wasser bedeckte bereits die Oberfläche der Wolke und leckte am Fundament des Schlosses. Das Schloß war zwar leicht, aber der Wolkenstoff saugte immer mehr Wasser auf, so daß er früher oder später in die Tiefe sacken mußte. Wie tief war der See überhaupt? Sie wußte es nicht, befürchtete aber, daß die Tiefe die Höhe des Schlosses bei weitem übersteigen würde. Unten am Boden des Sees würde das Ei ertrinken.
    Es sei denn, sie könnte es irgendwie oben halten. Wenn sie es etwa zum Treiben brächte…
    Mit den Krallen riß sie an dem Wolkenstoff, packte den Außenrand der Wolkeninsel und zerrte daran. So riß sie ein Stück aus der Wolke, was ein Loch entstehen ließ. Schnell rammte sie es wieder hinein, doch diesmal verkeilt, so daß sich ein

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