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Vogel-Scheuche

Titel: Vogel-Scheuche Kostenlos Bücher Online Lesen
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sprechen.
    Ida trat zu der Zeugin hinüber. »War ein Dolmetscher anwesend, als du Roxanne Roc begegnet bist?« fragte sie.
    »Nein. Ich habe ihr Krächzen nicht verstanden.«
    »Dann wußtest du also gar nicht, daß sie ein unanständiges Wort g e sagt hatte.«
    »Das ist richtig.«
    »Tatsächlich hattest du bis zu diesem Augenblick nicht die leiseste Vorstellung, weshalb du überhaupt als Zeugin zu dieser Verhandlung geladen wurdest.«
    »Einspruch!« sagte Grey. »Das ist irrelevant, unwichtig und lenkt vom Thema ab.«
    »Stattgegeben.«
    »Und was geschah danach?« fragte Ida.
    »Einspruch! Irrelevant!«
    »Für meine Verteidigung ist es sehr wohl relevant!« fauchte Ida mit e i ner für ihr normalerweise sehr sonniges Wesen recht ungewöhnlichen Schärfe. Ihr Mond sah ähnlich verärgert aus, wenn auch noch nicht vö l lig verfinstert.
    »Aber dies ist eine Zeugin der Anklage.«
    »Stattgegeben.«
    »Dann werde ich sie aufrufen, wenn ich an die Reihe komme«, verkü n dete Ida und trat ab.
    »Die Zeugin darf den Stand verlassen«, entschied der Richter.
    Phelra kehrte ins Publikum zurück, ganz offensichtlich verwundert. Die Szene verblaßte.
    Grey lächelte grimmig. »Zum zweiten geht es um die Anwesenheit e i nes Kindes. Die Anklage ruft den Simurgh in den Zeugenstand.«
    Ehrfürchtiges Geraune quittierte diese Ankündigung, so daß der Ric h ter einen generalisierten Finsterblick in die Runde werfen mußte, um den Lärm zum Verstummen zu bringen.
    DER SIMURGH ERBITTET ERLAUBNIS, AN ORT UND STELLE ZU ANTWORTEN, UM DEN BESCHRÄNKTEN DIMENSIONEN DER BÜHNE RECHNUNG ZU TRAGEN.
    Fetthuf hätte beinahe gelächelt. »Gestattet. Die Spezialeffektbeamtin wird eine kleine Illusion herstellen, die an Stelle der Zeugin im Stand befragt werden kann.«
    Die Zauberin Iris nickte. Da erschien ein kleines Bild des Simurgh, wie der auf dem Rücken des Zeugenstands hockte. Falls irgend jemand im Publikum diese Darstellung komisch fand, war er jedenfalls gescheit genug, seine Reaktion zu unterdrücken.
    Grundy Golem trat auf das Abbild zu. »Schwörst du, die Wahrheit zu sagen, egal was?«
    ICH SCHWÖRE ES. Es schien, als käme die Antwort von dem Vogel im Zeugenstand.
    »Die Zeugin ist ordnungsgemäß vereidigt worden«, verkündete der Richter.
    Grey Murphy trat auf den Plan. »Was ist deine Aufgabe?«
    »Einspruch«, warf Ida ein. »Irrelevant.«
    Fetthuf runzelte die Stirn. »Ist Relevanz gegeben?«
    »Ja, Euer Ehren. Es wird gleich deutlich zutage treten.«
    »Dann fahre fort. Die Zeugin darf antworten.«
    ICH BIN DAS ÄLTESTE UND WEISESTE GESCHÖPF IM UNIVERSUM. ICH HABE DIE VERNICHTUNG UND WIEDERAUFERSTEHUNG DES UNIVERSUMS DREIMAL MITANGESEHEN. ICH BIN UNTER ANDEREM DIE BEWACHERIN DES SAMENBAUMS.
    »Empfindest du das als ermüdend?«
    NACH MEHREREN JAHRTAUSENDEN WIRD ES DURCHAUS LANGWEILIG.
    »Überlegst du dir Möglichkeiten, diese Langeweile zu lindern?«
    ICH HOFFE, EINIGE DIESER AUFGABEN IM LAUFE DER ZEIT AN MEINEN NACHFOLGER WEITERZUGEBEN, DER IRGENDWANN GENAU SO WEISE WIRD, WIE ICH ES BIN.
    »Und wer ist dein Nachfolger?«
    MEIN NAMENLOSES KÜKEN.
    »Wo ist dieses Küken?«
    IN EINEM EI ZWISCHEN EINEM ROC UND EINEM HARTEN PLATZ, HIER IM NAMENLOSEN SCHLOSS, DAS ZU DIESEM BEHUFE ERBAUT WURDE.
    »Und wo ist dieses Ei jetzt genau?«
    UNTER ROXANNE ROC.
    Wieder durchzog Gemurmel den Saal, trotz des wütenden Richte r blicks. Das war wirklich eine gewaltige Neuigkeit!
    »Wie lange dauert es, bis dein Küken aus dem Ei schlüpft?«
    SECHSHUNDERT JAHRE.
    »Und wann hast du das Ei gelegt?«
    VOR SECHSHUNDERT JAHREN, IM JAHR 495.
    »Dann ist es also dieses Jahr fällig?«
    JA.
    »In welchem Stadium befindet sich das Küken?«
    DAS KÜKEN BESITZT BEWUSSTSEIN UND IST AUFNAHMEFÄHIG.
    »Also lebendig und intelligent«, übersetzte Grey. »Kann das Küken verstehen, was im Nistsaal gesprochen wird?«
    JA.
    »Als Roxanne Roc dieses verbotene Wort ausgesprochen hat, konnte das Küken sie also ›hören?‹«
    JA.
    Roxanne, die im Nebensaal mitgehört hatte, machte einen Satz. Kein Zweifel – das war ihr völlig neu. Was wiederum niemanden überraschte. Im Publikum machte sich ein nur durch den bösen Richterblick g e dämpftes Murmeln breit, während die Geschworenen auf ihrer Bank stumme Blicke austauschten.
    Grey wandte sich ab. »Dein Zeuge.«
    Ida trat auf das Abbild zu, und ihr Mond beäugte es neugierig. »Wenn du das weiseste Geschöpf im ganzen Universum bist, warum hast du dann diese Störung nicht vorausgesehen und

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