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Vogelfaenger

Titel: Vogelfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Dunker
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hat. Im Tausch für etwas Spülmittel bringt er uns ein paar knackige französische Befehle für Rocky bei und schenkt uns sogar eine dicke Kerze mit Windlicht und eine angebrochene Flasche Rotwein. Da er einfach so unwiderstehlich liebenswürdig ist, kann auch die mürrische Ida nichts dagegen haben, die Flasche noch gemeinsam mit ihm vor unserem Zelt auszutrinken. So klönen wir und sagen mit immer leichter werdenden Zungen: »Roo-ckii, arrête!«, und »encore une fois«, bis Albert sich in unsere Hängematte plumpsen lässt und sich dummerweise die Halterungsknoten lösen.
    »Der Arme, hoffentlich kann der nach dem Sturz morgen noch aufs Rad steigen«, murmele ich, alswir zwei etwas später satt, müde und angesäuselt in unsere Schlafsäcke kriechen.
    »Ein paar blaue Flecken wird er haben. Aber er hat sich noch gut gefangen. Mir wäre das nicht so gelungen. Ich wäre wahrscheinlich voll auf den Rücken geknallt.«
    »Und er hat’s Gott sei Dank mit Humor genommen!«
    »Ja.« Ida lacht in sich hinein und dreht sich auf die andere Seite, was zur Folge hat, dass Rocky, der auf unseren Füßen liegt, sich auch noch ein paar Mal hin und her drehen und neu einrichten muss. »Wir hätten wohl noch mehr Doppelknoten machen müssen. Aber jetzt ist die Hängematte hundertprozentig fest.«
    »Eigentlich schade, dass Albert morgen weiterfährt. Vielleicht tut ihm sein Hintern ja so weh, dass er die Abreise verschiebt?«
    Ida brummt auf eine Art, die sie sich von Rocky abgeguckt hat. »Ich dachte, du stehst auf diesen Anstreicher, Nele.«
    »Ja, genau: Jan. Aber Albert hat mir auch gefallen. Schöne Männer kann man nicht genug haben.«
    Ida schweigt, will wohl nicht mehr rumflapsen oder ist schon eingeschlafen. Das werde ich auch gleich tun. Mein Atem und Herzschlag gehen langsamer, das Aufgedrehtsein lässt nach.
    Auch draußen ist es ruhig. Nur mal ein Rascheln, ein Rauschen der Blätter und ab und zu das leise Quietschen, das das kleine bunte Windrad macht. Wie schön ist es zu campen! Wo war ich mit diesemkleinen Zelt schon überall! Wie gut riecht es nach Hund, Lebensmitteln und Natur! Wie wohl und sicher fühle ich mich hier drinnen!

12
    Nicht einmal der Hund hört den Vogelfänger, als der entspannt eine Runde um das Zelt dreht, schaut, stehen bleibt. Erst als er den Arm ausstreckt und die Plane, hinter der sein Täubchen liegt, fast berühren kann, knurrt der kleine Köter. »Scht, Rocky!« , macht die fette Gans im Halbschlaf und fängt gleich wieder an, leise zu schnarchen.
    Sie müsste nur die Augen öffnen, um seine Silhouette über sich im Mondlicht zu sehen. Vielleicht hätte sie dann noch eine Chance, ihm zu entkommen. Vielleicht wäre er mit ihr dann gnädig, wenn sie aus Furcht vor dem Fremden den Urlaub unverzüglich abbräche und sein Täubchen wieder ihm überließe. Vielleicht aber auch nicht.
    Er hätte es schon zu gern gesehen, wenn sie statt des Schwarzen mit der Hängematte auf den Boden gekracht wäre. Obwohl es nur gerecht ist, dass der für den unerlaubt mit seinem Täubchen verbrachten Weinabend bestraft worden ist. Um die Gans – das sagt er sich jetzt, um sich zurückzuhalten und nicht sofort zuzuschlagen – kann er sich immer noch kümmern. Die hebt er sich sozusagen auf. Die wird er morgen erst mal ein bisschen aufmischen.

Zweiter Tag
    13
    In der Frühe erwachen Rocky und ich von leisem Stöhnen.
    »Hey!«, flüstere ich sanft und berühre Idas Schulter. »Du träumst.«
    »Hm?« Sie sieht mich mit einem Blick an, der von ganz weit weg kommt. Als wäre ich eine Fremde und sie wisse nicht, wo sie sich befindet.
    »Du hattest einen Albtraum«, wiederhole ich.
    »Danke fürs Wecken.« Sie reibt sich den Kopf, schält sich aus dem Schlafsack, sucht ihre Zigarettenschachtel. »Unbequem, so ’ne Luftmatratze. Wenn die mal nicht undicht ist! Und Rocky macht sich auch ganz schön schwer.«
    Rocky wedelt mit dem Schwanz, jankt rum, weil er rauswill, bekommt auch seinen Willen, denn ich höre das Zippen des Reißverschlusses, dann das Klacken des Feuerzeugs und Idas Worte: »Nee, ich gehe nicht mit dir Gassi, ich koche mir jetzt erst mal ’nen heißen Tee.«
    »Au ja«, sage ich, recke und strecke mich, wurschtele mich ein paar Minuten später ebenfalls aus meinem warmen Kokon und krieche ins Freie. Ida drückt gerade ihre Zigarette aus und wirft eigens von Papa ausgewählte frische Pfefferminzblätterin das kochende Wasser, dazu öffnet sie einen Frischhaltebeutel mit selbst gebackenen

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