Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Vogelfaenger

Titel: Vogelfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Dunker
Vom Netzwerk:
Ingwerkeksen. Ingwer mag ich ausnahmsweise nicht, deswegen lehne ich dankend ab. Rocky schnüffelt hier und da und verschwindet dann hinter ein paar Büschen.
    »Wir kriegen bestimmt Ärger, wenn wir ihn hier auf dem Platz sein Geschäft erledigen lassen«, warnt Ida kauend.
    »Ach! Kleiner Hund, kleine Würstchen.«
    Und schon sind wir wach, lachen mit vor die Münder gehaltenen Händen, machen’s uns bequem, hören auf das Sprudeln des Wassers in dem kleinen Kessel und auf das Rätschen eines Eichelhähers in den Bäumen.
    »Da vorn ist er«, sage ich und zeige auf den schönen Vogel. »Vielleicht gebe ich ihm ein bisschen Studentenfutter …?«
    »Ich habe einen Mist geträumt«, sagt Ida plötzlich düster.
    »Von Albert?«
    »Nein!« Sie schüttelt den Kopf, zögert einen Moment, als wolle sie etwas erzählen, sagt dann aber: »Der ist übrigens schon weg, ist hart im Nehmen.«
    Ich seufze laut und theatralisch. Ida aber gähnt nur. Blass sieht sie heute Morgen aus, hat wohl wirklich schlecht geschlafen.
    »Komm, wir gehen baden«, schlage ich vor.
    »Brrr, das Wasser ist doch viel zu kalt!«
    »Unsinn!« Ich ergreife ihre Hand. »Das macht wach und frisch.«
    »Und vertreibt die Schreckgestalten der Nacht?« Sie lässt sich etwas widerwillig auf die Füße ziehen.
    Ich stutze. »Äh, ja, auch die.«
    »Na gut.« Wir tapsen barfuß durch die taufeuchte Wiese zum Strand hinunter und drehen mutig die erste Runde im morgenkühlen, von einem leichten Dunstschleier überzogenen Wasser. Wunderbar angenehm ist das. Der Campingplatz ist noch ganz still und es kommt mir vor, als gehöre uns die Welt allein.
    Anschließend trinken wir den Tee, unsere Haare hängen uns nass auf die Schultern, die Sonne kommt hinter den Baumkronen hervor und färbt Idas leuchtend orange; der Eichelhäher holt sich die halbe Walnuss, die ich in seine Richtung geworfen habe; Rockys Zähnchen knacken genüsslich ein paar Hundekuchen und ich gönne mir einen Müsliriegel, während Ida sich noch eine Zigarette ansteckt.
    »Weißt du«, sagt sie, »so müsste das Leben immer sein. Ein nie aufhörender, stiller, früher Morgen, an dem noch alles möglich ist.«
    »Ist es doch.« Ich gähne. »Wir haben den ganzen Urlaub vor uns.«
    Ida lacht, vielleicht eine winzige Spur unecht. »Mich lässt nur der verdammte Traum nicht los.« Sie macht eine Pause, sieht mich von unten herauf an, mit Augen wie die meiner Katzen, wenn sie sich aus Angst vor dem Staubsauger unterm Bett verstecken. »Soll ich dir ein Geheimnis verraten?« Flüsterstimme: »Ich hab heut Nacht geträumt, ich müssteden Teufel heiraten. Mein Vater hat eine Riesentorte gebacken und dann hat mich mein Bräutigam ins Schlafzimmer geführt …«
    »Oh, oh!«
    »Ich wollte mich an dir festhalten, aber du hast nichts gemerkt und weitergeschlafen.« Sie zieht nervös an ihrer Zigarette. »Schlimm, was?«
    »Dass ich dir nicht geholfen hab, schon«, sage ich und lache. »Ich bin eben eine Schlafmütze. Aber, Ida, ansonsten mach dir keine Gedanken. Ey, das war nur ein Albtraum, so was hat man schon mal in ungewohnter Umgebung.«
    »Meinst du?« Wie zweifelnd sie das fragt! Wie verunsichert sie plötzlich ist! Asche fällt auf ihr bloßes Knie und sie scheint es nicht einmal zu merken.
    »Hey, was ist los? So bedrückt kenne ich dich ja gar nicht.« Ich lege ihr einen Arm um die Schultern, und als sie bei der Berührung zusammenzuckt, geht mir auf, wie unvertraut wir eigentlich miteinander sind. Als wir uns vor vier Wochen auf der Bootshausparty wieder trafen, hatten wir uns immerhin zwei Monate nicht gesehen, und auf der Party selbst hatten wir uns nach meinem Sprung nicht einmal verabschiedet. Ihr Vorschlag, gemeinsam wegzufahren, war völlig überraschend zwei Tage später gekommen. Am Morgen war der große Artikel über Tobias’ Unfall und meine Beteiligung daran in der Zeitung erschienen und ich hatte schon befürchtet, mich würde jetzt überhaupt kein Mensch mehr mögen. Aber am Abend rief dann unerwartet Ida an,lud mich zu sich ein und stellte sich auf meine Seite. Natürlich haben wir uns vor unserem Urlaub ein paarmal verabredet, aber wenn wir uns unterhielten, ging es meist um lockere, oberflächliche Themen: Mode, Musik, Urlaubsorte oder, falls das Gespräch doch mal ernst wurde, um mich und Tobias. Wenn ich ehrlich bin, weiß ich gar nicht viel von ihr.
    »Nichts ist los.« Sie drückt die Zigarette aus, stützt den Kopf in die Hände. »Ich hatte heute Nacht nur irgendwie das

Weitere Kostenlose Bücher