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Vogelfaenger

Titel: Vogelfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Dunker
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Verfolger abgeschüttelt habe. Dennoch bleibe ich bestimmt noch zehn Minuten im Wasser, schwimme sogar extra vom Ufer weg und traue mich so lange nicht heraus, bis Ida ans Ufer kommt und besorgt meinen Namen ruft. Rocky ist auch dabei, genauso aufgeregt, genauso besorgt. Ich winke, wate hinaus, weine und werfe mich in Idas ausgebreitete Arme.
    »Wie geht’s dir? Oh, verdammt, du siehst ja schlimm aus!«
    »Streuselkuchen-Look«, schluchze ich und lasse mich von ihr stützen wie eine Schwerverletzte. So fühle ich mich auch. Ich bin ja immerhin Opfer eines Überfalls geworden – hundert gegen eine. »Ich weiß nicht, wie viele Wespen da waren, Ida, ich weiß auch nicht, wo die alle herkamen …«
    Wir erreichen die Wiese. Ein altes blaues Auto mit Dachgepäckträger parkt mit laufendem Motor vor unserem Zelt. Hannes und der Nachbar aus dem Wohnmobil verfrachten Jan gerade auf den Rücksitz, Fabi rennt auf uns zu. »Wir fahren ihn ins Krankenhaus«, ruft er aufgeregt. »Jan ist allergisch.Was ist mit dir, Nele?« Sein Blick saust an meinem Körper entlang. »Dich haben sie auch erwischt. Sollen wir dich mitnehmen?«
    »Nein, ich komme zurecht.«
    »Du hast etliche Stiche abgekriegt«, wirft Ida ein.
    »Ja, aber es geht schon. Danke. Ich bin okay. Fahrt nur! Beeilt euch!«
    Ich tröste mich an Rocky, der nicht von meiner Seite weicht, schleppe mich zum Zelt und sehe Fabis Auto nach, das vom Zeltplatz brettert.
    »Meine Güte«, sagt der Nachbar aus dem Wohnmobil, »was habt ihr angestellt? Habt ihr ein Wespennest kaputt gemacht?«
    »Nicht dass ich wüsste«, antworte ich matt.
    »Aber die werden doch nicht ohne Grund so aggressiv«, behauptet er.
    »Scheinbar doch.« Ich setze mich auf den Boden, streife die nassen Turnschuhe ab.
    Der Mann schüttelt ungläubig den Kopf, seine Frau kommt und reicht mir Salbe. »Die hilft bei Insektenstichen.«
    »Danke, das ist nett von Ihnen.«
    »Ich kann mir nicht vorstellen, dass Wespen einfach so auf Menschen losgehen«, wiederholt der Nachbar. Seine Frau dagegen malt sich das wohl lebhaft aus, sie nimmt ihn am Arm, zieht ihn zum Wagen, wo Marius etwas verschüchtert wartet, und sagt: »Vielleicht sollten wir doch auf einen anderen Campingplatz fahren, hier ist es mir auch zu ungepflegt …«
    Ich höre nicht weiter zu, gehe ins Zelt, ziehe die nassen Sachen aus und lasse mir von Ida vorsichtig die Stiche mit der Salbe einreiben.
    »Acht Stück. Prost Mahlzeit!«, sagt sie. »Aber ich glaub, Jan hat noch mehr abgekriegt.«
    »Der Arme! Über den sind sie zuerst hergefallen. Hoffentlich wird er schnell wieder gesund. Sonst habe ich noch jemanden auf dem Gewissen, erst Tobias, jetzt …«
    »Die hast du doch nicht auf dem Gewissen!«
    »Ja, doch, außerdem sagt man das so.«
    »Du solltest froh sein, dass du nicht wirklich jemanden auf dem Gewissen hast.«
    »Was bist du denn plötzlich so ernst?«
    »Bin ich das?« Ida hält inne, massiert dann ganz leicht meine Schultern. »Entspann dich mal, Nelchen. Du bist total verkrampft.«
    »Ich hab das Gefühl, die Biester schwirren immer noch um mich rum.«
    »Nein, nein, die sind weg und kommen hier auch nicht rein. Hier sind wir in Sicherheit.« Sie unterbricht sich, stutzt, macht eine Pause. »Sicherheit ist natürlich relativ«, murmelt sie mehr zu sich selbst. »Aber egal. Sag mal, wie ist denn das eigentlich passiert? Jan konnte kaum was sagen, er hat nur noch nach Luft geschnappt.«
    Ich kämpfe wieder mit den Tränen. »Der tut mir so leid. Verdammt, alle Jungs, die mich mögen, kommen zu Schaden.«
    »Besser als andersrum«, sagt Ida knapp und wechselt, bevor ich das kommentieren kann, das Thema:»Habt ihr wirklich nichts gemacht, die Wespen nicht aufgescheucht oder geärgert?«
    »Nicht dass ich wüsste. Wir standen da ganz ruhig, dann fiel irgendwo ein Ast runter und plötzlich kam diese Attacke. Wie aus heiterem Himmel. Aber das ist eh ein komischer Wald: Heute Morgen dachte ich, ich höre ein Handy klingeln, aber es war niemand da.«
    »Was hast du gehört?« Idas Hände stoppen abrupt.
    »Na, ich denke, das wird einfach jemand verloren haben«, wiederhole ich Jans Erklärung, an die ich mittlerweile selbst glaube, und lege mich erschöpft hin. »Puh, ich bin ganz erschossen. Ich glaub, ich muss erst mal ’ne Runde schlafen.«
    »Mir gefällt das nicht. Diese unruhige Nacht, das verschwundene Windrad, die wild gewordenen Wespen …« Sie zieht aufgeregt die Luft ein. »Hoffentlich sind das keine schlechten

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