Vogelfaenger
Wichser, komm raus, wenn du dich traust?!«
»Bist du bescheuert?« Ida drückt in Panik auf ihr Handy. »Du reizt den auch noch.«
»Wenn der mich reizt!« Ich streiche Rocky über den Rücken. Er ist aufgesprungen und läuft unruhig knurrend um meine Beine, weil er meine Aufregung merkt. Dabei schweift mein Blick wieder über den Platz. Kein Mensch reagiert auf meinen Ruf, wahrscheinlich weil einfach keiner da ist! Der Typ wird genauso ihrer wirren Fantasie entsprungen sein wie die Teufel und schrägen Gestalten aus ihrem Notizbuch.
»Papa, geh ran!«, jammert Ida.
»Ich weiß eigentlich nicht, ob ich schon nach Hause will«, maule ich. »Ich wollte zum Beispiel noch Jan wiedersehen.«
»Das kannst du gern allein machen, ich will hier weg.«
»Och, Ida, gleich kommen doch noch die Jungs und …«
Da schreit sie mich an: »Ich hab momentan keinen Bock auf Jungs, raffst du das nicht?!«
»Ey, lass nicht deine schlechte Laune an mir aus«, schieße ich zurück.
»Tue ich doch nicht! Du hast nur gar keine Ahnung!«
»Wie, bitte, soll ich die denn haben, wenn du mir nichts erzählst?!«
Eine Minute sehen wir uns giftig an und ich denke,dass es mir sowieso bald lieber sein wird, den Urlaub abzubrechen. Dann platzt, mitten in unser feindseliges Schweigen hinein, die Ansage der Mailbox von Markus von Bärlauch.
»Der Papa ist nicht da«, flöte ich sarkastisch und ahme seine Stimme nach: »Ein Anruf genügt und ich hole euch ab.«
»Bitte ruf deine Eltern an!«
Jetzt guckt sie wie ein Schaf. Wirklich, wie ein Schaf! Ich, geladen, sauer, wütig und vor allem angestachelt von ihrem waidwunden Blick, gehe also ins Zelt, nehme mein Handy, das noch immer auf dem Kopfkissen der Luftmatratze liegt, und schalte es ein. Das heißt: Ich versuche, es einzuschalten. Es funktioniert nicht. Einen flüchtigen Moment überlege ich, ob die Batterie leer sein könnte. Dann ahne ich, dass das Problem woanders liegt. Mein Handy reagiert überhaupt nicht, und genauso war es auch, als Malte es letzten Monat ausgeliehen und versehentlich dreimal den falschen PI N-Code eingegeben hatte.
Also hat es jemand in der Hand gehabt. Jemand, der nach dem Aftershave von Idas Exfreund duftet, hat unser Zelt geöffnet, sich auf unser Bett gelegt und an meinem Handy herumgespielt.
Das finde ich jetzt schon derbe. Ein Plastikwindrad klauen, mich mit Handymusik erschrecken und heimlich unser Zelt inspizieren ist äußerst unsympathisch, aber nicht so ein Übergriff wie dieser hier. Ich sollte meine Freundin vielleicht doch ernst nehmen. Vielleicht hat sie recht und der Kerl ist wirklichhier und hat sogar die Wespen auf Jan und mich gehetzt. Aber das wäre ja … schon reichlich wahnsinnig. Wenn ich das nur denke, bleibt mir die Spucke weg. Wie war das denn heute Vormittag eigentlich genau? Ich war kurz davor, Jan zu küssen, und habe dabei an Tobias gedacht. Ich dachte sogar, ich sehe ihn. Der vermeintliche Tobias hob den Arm und winkte. Und dann schlug ganz in unserer Nähe etwas auf dem Boden auf.
Plötzlich ist mir speiübel. Ich stöhne auf, halte mir die Hand an den Magen. Ich höre das Summen der Wespen. Tausende. Sie sind überall, ein lauter, böser Sturm, dem ich nicht entkommen kann.
Der Typ war da. Und er hat auch hier im Zelt gesessen. Genau hier auf meinem Bettlaken. Iiih, wie ekelig! Die ganze Sicherheit des Zelts ist weg, mein eigenes Bett ist nicht mehr gemütlich, nicht mehr sauber, nicht mehr meins.
»Was sagen deine Eltern?«, fragt Ida von draußen.
»Hab sie noch nicht erreicht«, antworte ich spontan. Ich will mich erst beruhigen, nachdenken. Kann ich denn wirklich hundertprozentig sicher sein, dass das Handy unbrauchbar gemacht wurde? Und wenn ja, muss es dann Idas Ex gewesen sein? Käme nicht auch jemand anderes infrage? Fabi, Hannes? Tobias, weil ich seine vielen SMS nicht beantwortet habe? Aber nein, das ergibt alles keinen Sinn.
Ich kann meine Verwirrung nicht verheimlichen, denn es dauert keine drei Sekunden, bis Ida ins Zelt kommt. »Was ist?«
Ich seufze. »Falscher PI N-Code eingegeben. Sieht nach Sabotage aus.«
»Verdammt! Dann ruf deine Eltern mit meinem Handy an!«
»Okay.« Ihre Angst ist jetzt auch meine. Ich gebe unsere Nummer in ihr Telefon ein und bin sehr erleichtert, als meine Mutter sich gleich beim ersten Klingeln meldet. »Mama, könnt ihr uns abholen, bitte?!«
»Warum das denn?«, fragt sie erstaunt. »Du warst doch heute Morgen noch so begeistert.«
In ein paar kurzen, verhaspelten,
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