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Vogelfaenger

Titel: Vogelfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Dunker
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den ersten Blick, dass es keinerlei Zuflucht bietet. Es wirkt, als hätten wir nicht mehr als ein Seidentuch, um unsere halb nackten Körper gegen Blicke, Kälte und Übergriffe aller Art zu schützen. Über uns verschreckten Wesen braut sich, gemalt mit dickem Farbauftrag und kräftigen Pinselstrichen, unheilvoll die wolkige Abenddämmerung zusammen. Die letzten Sonnenstrahlen färben die Haare der furchtsamen Ida blutrot. Da hat der Maler übertrieben, denke ich, die Fantasie geht mit mir durch, Idas Haare sind ganz normal gefärbt und auch ich bin lange nicht so nachdenklich, wie ich wirke, bin einfach still geworden.
    Ich muss ja auch still sein, denn Ida erzählt mir leise, leise ihre ungeheuerliche Geschichte.
    Sie werde verfolgt von ihrem Exfreund, der sie gut und lange kennt, der viel über sie weiß und viel von ihr will, und dieser Mann, seinen Namen würde sie mir nur ungern verraten, sei höchstwahrscheinlich hier und ganz sicher sehr gefährlich.
    »Ja, weiß der denn, wohin wir gefahren sind?«
    »Ich hab alles versucht, um unseren Aufenthaltsort geheim zu halten. Deswegen habe ich auch gerade noch meinen Vater angerufen; er schwört, dass aus der Familie niemand rumerzählt hat, wo wir Urlaub machen, aber das heißt nichts. Kurz bevor wir abfuhren, hatte meine Mutter einen Zettel mit der Campingplatzadresse an die Pinnwand unserer Restaurantküche geheftet, für alle Fälle, wenn mal was ist – meine Eltern sind meistens dort in dieserKüche, ganz selten mal in unserer privaten –, ja, und obwohl ich den Zettel höchstens eine Stunde später entdeckt und entfernt habe, kann es natürlich sein, dass er jetzt Bescheid weiß.«
    »Kommt der denn in eure Küche?«
    »Jetzt nicht mehr, aber er kennt natürlich die Angestellten. Er hat früher mal für meinen Vater gearbeitet, daher kenne ich ihn auch.«
    »Und was will der jetzt?«
    Ida schweigt, sieht auf ihre Hände.
    Ihre Nicht-Antwort ist mir fürs Erste aussagekräftig genug. Ich weiß selbst, dass verlassene, eifersüchtige Geliebte auf die abstrusesten Dinge kommen können. Als mein Onkel sich von seiner Frau getrennt hat, haben ihn seine Ex-Schwiegereltern mit nächtlichen anonymen Anrufen terrorisiert. Meine Extante hat ihn auf der Straße beschimpft. Ich kenn’s aber auch aus eigener Erfahrung, denn sogar mein lieber Tobias hat mir zuletzt eine alles andere als nette SMS geschrieben. Ich lege Ida die Hand auf die Schulter, stehe auf und blicke mich um.
    Niemand außer uns ist auf dem Campingplatz zu sehen. Das einzige Zelt, das außer unserem noch steht, das von Fabi und Hannes, ist seit über zwei Stunden verwaist, denn die zwei brauchen ungeheuer lange, um einzukaufen. Vor der Blockhütte der dicken Frauen flattern Handtücher auf der Wäscheleine, was immerhin bedeutet, dass die Damen noch nicht abgereist sind. Die drei Blockhütten links von der, in der die Frauen wohnen, sind weiterhin alle verschlossen und unbewohnt. In der äußersten ganzlinks, dort, wo auch Jans verlassener Wohnwagen steht, müsste der Angler anzutreffen sein. Sehen kann ich ihn nicht, denn seine Terrasse ist wie die anderen von Rosenbüschen verdeckt. Drei fremde Gäste, die mir zwar nicht sonderlich sympathisch sind, aber immerhin für den Notfall ansprechbar wären, außerdem die Jungs, die ihre Hilfe schon angeboten haben. So einsam mir der Platz in diesem Augenblick vorkommen mag, so sicher müsste er mit Vernunft betrachtet dennoch sein. Man könnte ja auch immer noch Herrn Rotter anrufen und ihn bitten, selbst hier Wache zu schieben, nachdem Jan ausgefallen ist.
    »Gib dir keine Mühe, ihn zu entdecken, Nele, das gelingt dir sowieso nicht. Er ist Jäger. Er lässt sich nicht so schnell aufspüren.«
    Ich lache etwas hysterisch auf. »Du machst mir langsam Angst, Ida.«
    »Tut mir leid, entschuldige.« In ihren Augen stehen plötzlich Tränen. »Ich wollte dir davon nichts erzählen; ich wollte mit dir einen schönen Urlaub haben, aber das ist jetzt vorbei.« Sie greift nach ihrem Handy. »Ich rufe meinen Vater an und bitte ihn, uns noch heute Abend abzuholen.«
    »Aber wir sind uns doch gar nicht hundertprozentig sicher, dass dieser Typ hier ist.«
    »Doch! Es spricht alles dafür, angefangen von meinem Traum …«
    »Oh, nein, Ida«, schimpfe ich und stampfe mit dem Fuß auf. »Das ist lächerlich! Du steigerst dich jetzt aber darein! Selbst wenn hier dein Ex rumstrolcht,na und?« Ich lege die Hände an den Mund und rufe ganz laut: »Hey, du Spanner, du

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