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Vogelfrei

Titel: Vogelfrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianne Lee
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einem zu engen Verwandtschaftsverhältnis zu Iain stand, aber Dylan war so damit beschäftigt gewesen, sich im Clan zu behaupten, dass er diese Warnung in den Wind geschlagen hatte.
    Entschlossen hob er den Kopf. Er musste unbedingt mit Cait sprechen. Also erhob er sich und trat den Rückweg zur Burg an, mied aber den Pfad, sondern schlug sich parallel dazu durch das Gebüsch. Ein Film über den Vietnamkrieg, den er einmal gesehen hatte, hatte ihn gelehrt, dass Soldaten aus Furcht vor einem Hinterhalt niemals die bereits vorhandenen Wege benutzten. Aufgrund dieses Fehlers war er selbst beinahe den englischen Soldaten in die Hände gefallen, also hielt er sich im Schutz des Waldes und wanderte langsam in Richtung der Burg.
    Kurz vor Sonnenuntergang erreichte er Glen Ciorram. Von dem bewaldeten Hügel oberhalb des Dorfes aus, im Schatten eines Baumes verborgen, konnte er den Trupp englischer Soldaten sehen, die auf der Wiese vor dem Torhaus ein Lager aufgeschlagen, ein kleines Feuer angefacht und ein Zelt für ihren Captain aufgestellt hatten. Wie es aussah, beabsichtigten sie nicht, innerhalb der nächsten Zeit in ihre Baracken zurückzukehren, und ganz bestimmt nicht heute. Jetzt wusste er nicht mehr weiter. Wo sollte er hin? Wo war er in Sicherheit? Wie mochte es Cait gehen? Er wünschte, er wüsste, was innerhalb der steinernen Mauern vor sich ging.
    Die Sonne versank allmählich am Horizont, und er konnte nicht hier stehen bleiben und die Engländer beobachten, bis sie ihn entdeckten. Also drehte er sich um und schlug den Weg zum alten Turm ein. Dort konnte er ausruhen und über seine nächsten Schritte nachdenken. Doch als er sich dem Turm näherte, sah er aus dem Inneren dünne Rauchwolken aufsteigen; irgendjemand hielt sich dort auf. Er zückte Brigid, schlich geduckt am Eingang vorbei auf die Eiche zu und kletterte über den Ast, der in das obere Fenster hineinwuchs, in den Turm hinein. Vorsichtig sprang er auf die verfallene Treppe und spähte nach unten, um zu sehen, wer der Eindringling war.
    In der Mitte der steinernen Mauern saß Cait fröstelnd an einem kleinen Feuer und starrte in die Flammen. »A Chait!«, rief er leise, ehe er die bröckeligen Stufen hinuntereilte.
    Sie blickte auf und schnappte nach Luft, dann sprang sie auf, raffte ihren Rock und rannte auf ihn zu, warf ihm die Arme um den Hals, schluchzte und redete dabei so schnell auf ihn ein, dass er kein Wort verstand; ihre Kleider waren durchnässt und eiskalt. Er küsste sie sanft, dann wischte er ihr die Tränen aus dem Gesicht.
    »Schscht. Ganz ruhig. Nicht weinen.« Er nahm sein Wehrgehänge ab, ließ es zu Boden fallen, löste seinen Gürtel, streifte seinen feileadh mór ab und legte ihn ihr um die Schultern. »Du bist ja halb erfroren. Komm, zieh das nasse Kleid aus.« Ihre Zähne klapperten vernehmlich, als sie aus ihrem Überkleid schlüpfte, sich das leinene Unterhemd über den Kopf streifte und sich dann in den Kilt wickelte. Er hielt sie fest an sich gedrückt, bis sie sich wieder beruhigt hatte. Als das erste wilde Schluchzen verebbt war, führte er sie zum Feuer und setzte sich neben sie. »Bist du in Ordnung? Ist dir etwas geschehen?« Er dachte an die Engländer, und ein schrecklicher Verdacht stieg in ihm auf. Doch sie schüttelte den Kopf und schluckte heftig. »Sie wollen dich hängen. Wenn du in die Burg zurückkehrst, werden sie dich umbringen. Sie haben Briefe ...«
    »Ich habe sie nicht geschrieben.«
    Sie nickte. »Ich weiß. Vater weiß es auch. Er ... er ...« Ihr Gesicht verzerrte sich vor Qual, und sie begann wieder zu schluchzen. »Sie haben Coll getötet.«
    Trotz seiner Sorge um Cait und um sich selbst traf ihn diese Nachricht wie ein Schlag. »Coll? Wer denn? Und warum?«
    »Die Sassunaich sind gekommen und haben die Burg durchsucht, aber sie konnten dich nicht finden. Sie sagten uns dann, was sie unter deinem Sattel gefunden hatten. Vater geriet außer sich vor Zorn. Er ahnte, was Artair und Coll getan hatten, denn er wusste, dass du dich nicht des Hochverrats schuldig gemacht haben konntest, wie sie behaupteten.« Sie blickte zu ihm auf. »Du bist der Einzige von uns, der je versucht hat, Vater von seinen Überzeugungen abzubringen. Daher wusste er, dass die Schriften, die bei dir gefunden wurden, dir von jemand anderem untergeschoben worden sein mussten. Und ich hatte gesehen, wie Coll dein Pferd sattelte. Als die Soldaten die Burg verlassen hatten, um vor dem Torhaus ihr Lager aufzuschlagen, befahl Vater,

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