Vogelfrei
bückte sich und versuchte, ihn anzuheben. Ein sengender Schmerz schoss durch seinen Rücken, und einen Moment lang fürchtete er, es würde ihm nicht gelingen, sein Vorhaben auszuführen, aber dann schaffte er es doch, den Stein auf die Seite zu kippen. Große schwarze Käfer krabbelten, über die Störung verärgert, unmutig hin und her, aber Dylan achtete nicht auf sie. Er holte seinen Geldbeutel aus der Tasche, entnahm ihm die fünf Goldguineen und behielt nur ein Silberstück zurück. Nacheinander legte er die Münzen in die Kuhle im Erdreich, ließ nach kurzer Überlegung Caits Brief darauf fallen und schob den Stein an seinen ursprünglichen Platz zurück. Dann strich er über das niedergedrückte Gras, bis es aussah, als sei der Stein niemals von der Stelle bewegt worden.
Mit Hilfe des Göttersteins hielt er dann nach Sinann Ausschau, doch sie war nirgends zu sehen. Er musste unbedingt mit ihr sprechen, musste ihr von dem versteckten Geld erzählen, damit sie dafür sorgen konnte, dass Cait es erhielt, falls ihm etwas zustieß.
Schließlich knotete er die Kordel auf, an der sein Kruzifix hing, befestigte den Ring daran, verknotete sie wieder und ließ sie unter sein Hemd gleiten. Nachdem er sich sein Wehrgehänge über die Brust geschlungen hatte, ging er Cait hinterher.
Die englischen Soldaten lagerten immer noch vor der Burg. Vom Schutz der Bäume am Fuße des Hügels aus betrachtete Dylan Captain Bedford, der vor seinem Zelt stand und das Burgtor im Auge behielt. Weitere Rotröcke standen, die Musketen im Anschlag, ganz in seiner Nähe. Dylan schlich geduckt an einer Hauswand vorbei ins Tal hinein, sprang über ein paar niedrige Mauern und schlenderte dann so gelassen durch das Dorf, als ob nichts geschehen wäre. Die Männer, die auf den Feldern arbeiteten, bemerkten ihn natürlich, aber niemand richtete das Wort an ihn oder nahm seine Anwesenheit sonst irgendwie zur Kenntnis. Nur Marsailis Tochter, die gerade aus Nana Pet-tigrews Haus gelaufen kam, huschte zu ihm hinüber, zupf-te ihn am Ärmel und flüsterte ihm zu, dass einer der Soldaten gerade die Näherin befragte. Dylan dankte ihr und machte, dass er fortkam.
Cait befand sich in der Burg, und für ihn gab es keinen anderen Weg, dort hineinzugelangen, als durch das Haupttor. Am letzten Haus vor der Zugbrücke blieb er stehen und verbarg sich hinter einer Gruppe Stechpalmen. Einfach so durch das Tor zu gehen käme einem Selbstmordversuch gleich. Sein Kopf hämmerte, und er biss sich so heftig auf die Lippe, dass sie zu bluten begann. Der Drang, Cait zu sehen, mit ihr zu sprechen, wurde unerträglich. Wenn er nur einen Weg fände, an den Soldaten vorbeizukommen!
Dann machte sein Herz einen Sprung. Die Tore der Burg öffneten sich langsam, und Malcolm, Iain und Cait ritten hindurch, gefolgt von Robin Innis. Die Gruppe machte einen bedrückten Eindruck, alle ließen die Durchsuchung und die kurze Befragung durch die Rotröcke mit stoischer Geduld über sich ergehen, ehe sie ihren Weg fortsetzten. Dylan huschte an einer Mauer entlang auf eine der Torfhütten zu und wartete dort ab.
Als die Pferde auf seiner Höhe waren, verließ er sein Versteck und ergriff Caits Hand. »Cait!«
Bei seinem Anblick spiegelte sich nacktes Entsetzen in ihrem Blick wider. Iain zügelte sein Pferd und befahl schneidend: »Nimm die Hände weg von ihr!«
»Cait, ich muss mit dir reden!«
»Ich sagte, lass sie in Ruhe!«
»Dylan ...« Cait drückte flüchtig seine Hand, dann versuchte sie, sich loszumachen. »Dylan, ich liebe dich. Aber du musst fort, sonst werden sie dich töten. Bitte lass nicht zu, dass sie dich töten! Ich könnte, es nicht ertragen.« Ihre Augen waren dunkel vor Kummer; die offenkundige Qual, die er darin las, schnitt ihm ins Herz.
Iain zog sein Schwert. Malcolm wollte ihn zurückhalten, doch Iain gab seinem Pferd die Sporen und ritt direkt auf Dylan zu.
»Cait, tu das nicht!« Er wusste nicht, was er eigentlich von ihr erwartete, aber er konnte nicht tatenlos zusehen, wie sie aus seinem Leben verschwand.
Malcolm packte Iain am Arm, doch der Laird wollte sich nicht beruhigen lassen. Zornig knurrte er: »Jetzt ist es genug! Ich bringe ihn um!«
Caits Stimme wurde schrill vor Angst. »Dylan, bitte! Geh! Geh endlich!« Sie trieb ihr Pferd vorwärts und ließ Dylan einfach mitten auf der Straße stehen.
In diesem Augenblick trat ein Dragoner aus Nana Pettigrews Haus auf der anderen Seite der Straße. Es dauerte einen Moment, bis er begriff, was
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