Vogelfrei
sah sich Captain Bedford hoch zu Ross gegenüber. Hinter ihm warteten drei weitere berittene und mit Gewehren bewaffnete Soldaten. Er hob eine Hand und drehte zum Zeichen, dass er keine Waffe darin hielt, die Handfläche nach außen. »Dylan Matheson«, stellte der Engländer in anklagendem Tonfall fest.
Dylan nickte. »Aye, der bin ich.« In seinem Kopf begannen sämtliche Alarmglocken zu schrillen, dennoch zwang er sich zur Ruhe. Er hatte ja nichts verbrochen. Sie würden ihn laufen lassen, da war er ganz sicher. Aber der Anblick der Gewehre mahnte ihn trotz allem zur Vorsicht.
Der blonde Offizier nickte einem seiner Männer zu, der auf Dylans Pferd zuging. Das Tier scheute, und der Offizier bellte: »Haltet Euer Pferd ruhig, sonst lasse ich es erschießen!« Dylan zog die Zügel fester an und zwang das Tier mit einem kräftigen Schenkeldruck, still stehen zu bleiben, während der Fußsoldat unter die Satteldecke griff.
»Hab es, Sir!«, krähte er triumphierend und zog irgendetwas darunter hervor.
Was, zum Teufel, hatte er da gefunden? Dylan wendete sein Pferd und sah, dass der Soldat ein paar Bögen Papier in der Hand hielt. Er erkannte sie sofort, sie gehörten zu dem Briefpapier, das Sarah ihm zu Weihnachten geschenkt und das er nie benutzt hatte. Die Briefe wurden dem Offizier ausgehändigt, der eines der Siegel erbrach und den Bogen überflog. Dann las er, mitten im Satz beginnend, einen Absatz laut vor: »... kämpfen wir für die Rückkehr unseres rechtmäßigen Königs James ... Ihre Majestät ist unter Arrest zu stellen.« Er warf Dylan einen angewiderten Blick zu. »Elender Verräter! Nehmt ihn fest!«
Dylan wartete die Ausführung des Befehls erst gar nicht ab, sondern stieß seinem Pferd die Fersen in die Flanken, durchbrach die Reihe der Fußsoldaten und floh. Schüsse krachten, Kugeln pfiffen über seinen Kopf hinweg, und plötzlich wieherte sein Pferd einmal schrill auf und brach unter ihm zusammen. Dylan wurde abgeworfen, rollte sich über die Schulter ab, rappelte sich wieder hoch und schlug sich dann in die Büsche.
Zwischen Bäumen hindurch und quer durch das Unterholz rannte er auf eine Böschung zu und durchquerte dann einen flachen Bach. Während er mit langen Sätzen davonjagte, wühlte er fieberhaft in seiner Tasche herum. Endlich fand er, was er suchte. Mit zitternden Fingern befestigte er die Brosche an seinem Plaid, dann verbarg er sich hinter einer Eiche, lehnte sich gegen den Stamm und konzentrierte sich darauf, keinen Muskel zu rühren, ruhig und gleichmäßig durchzuatmen und kein Geräusch zu verursachen.
Die englischen Soldaten, die ihn verfolgten, kamen jetzt auch die Böschung heraufgestürmt, aber keiner bemerkte ihn. Als sie sich - oben angelangt - aus dem Schutz der Bäume lösten, begriffen sie, dass ihr Wild ihnen vorerst entkommen war, und schwärmten aus, um die Umgebung abzusuchen; einige kamen jedoch schon bald darauf zum Bach zurück. Dylan verhielt sich ganz still, lauschte ihren lautstarken Verwünschungen und betete, dass keiner von ihnen versehentlich gegen ihn prallte. Die Soldaten trampelten den hohen Farn nieder, spähten angestrengt in die dichten Baumkronen und stocherten mit ihren Bajonetten in den Büschen herum.
Nach einer Weile stieg auch der Captain von seinem Pferd und beteiligte sich an der Suche. Er blickte sich um wie ein Tier, das eine Witterung aufnimmt. Dabei stand er so nah bei Dylan, dass diesem der Seifenduft seiner frisch gewaschenen Uniform in die Nase stieg. Dann drehte er sich um, sodass Dylan ihm genau ins Gesicht sah. Bedfords blassblaue Augen schienen sich in die seinen zu bohren, und Dylan musste all seine Willenskraft aufbieten, um nicht Hals über Kopf die Flucht zu ergreifen. Doch er bezwang sich und blieb regungslos stehen, so wie Sinann es ihm geraten hatte.
Schließlich rief Bedford seine Männer zurück. Die Rotröcke brachen die Suche ab, machten kehrt und marschierten nach Ciorram zurück; somit war Dylan wohl vorerst in Sicherheit. Er ließ sich zu Boden sinken und legte den Kopf auf die Knie. Was nun? Wer hatte ihm das angetan? Artair? Oder Iain selbst? Der Laird hatte kein Hehl daraus gemacht, dass er für Cait eine vorteilhaftere Heirat ausgehandelt hatte und über die Aussicht, Dylan als Schwiegersohn zu bekommen, nicht allzu sehr erfreut war. War es ein Fehler gewesen, darauf zu vertrauen, dass Malcolm Iain umgestimmt hatte? Zudem hatte Malcolm ihn gewarnt, dass es einige gab, die seinen Tod wünschten, weil er in
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