Vogelfrei
sich hier abspielte, doch dann riss er seine Muskete hoch, zielte auf Dylan und drückte ab.
Die Kugel streifte seine linke Wade. Dylan unterdrückte einen Schmerzensschrei, als sein Bein unter ihm wegknickte und ein sengender Feuerstoß durch seinen Körper schoss. Cait kreischte entsetzt auf. Der Schuss hatte die Aufmerksamkeit der Rotröcke bei der Zugbrücke auf ihn gelenkt, und im nächsten Moment pfiffen weitere Kugeln über seinen Kopf hinweg; Caits Pferd begann nervös zu tänzeln. Erschrocken bemerkte Dylan, dass sie sich genau in der Schusslinie befand. Während die Engländer nachluden, ging er hinter einem nahe gelegenen Haus in Deckung. Von dort aus konnte er beobachten, wie Iain, Malcolm und Robin Cait umringten und sie rasch in Sicherheit brachten. Noch immer gellten ihre Schreie in seinen Ohren, als er sich zur Flucht wandte.
Doch schon nach wenigen Schritten gab sein Bein erneut nach, und er fiel der Länge nach in den Staub. Seine Gamasche war blutdurchtränkt, sein Schuh gleichfalls völlig durchnässt. Mühsam richtete er sich auf und lief, das verletzte Bein nachziehend, quer über ein Feld auf Tormod Mathesons Haus zu, das am Fuß eines bewaldeten Hügels stand. Der Schmied, der sah, dass ihm die Rotröcke auf den Fersen waren, bedeutete ihm mit einer Handbewegung, rasch hereinzukommen und sich in Sicherheit zu bringen.
Doch Dylan schüttelte nur den Kopf und setzte seine Flucht fort. Selbst wenn es ihm gelang, unbemerkt in Tor-mods Hütte zu huschen, würde Bedford das Dorf durchsuchen lassen, und seine Männer würden ihn früher oder später doch entdecken. Dann würde jeder, der ihm Unterschlupf gewährte, ebenfalls verhaftet werden. Außerdem wollte ihn sein Bein nicht länger tragen. Mit zittrigen Fingern nestelte er an seinem sporran herum, schwankte und wäre beinahe zusammengebrochen, als sich die Welt um ihn herum zu drehen begann. Irgendwo ... musste der Talisman sein, der ihn unsichtbar machte. Verzweifelt wühlte er in der Tasche herum. Ja, da war er! Doch als er sich umdrehte, sah er, dass die Soldaten ihn schon fast eingeholt hatten. Nackte Mordlust glühte in ihren Augen. Sie hatten ihn in die Enge getrieben; hatten ihm die letzte Möglichkeit genommen, sich aus seiner misslichen Lage zu befreien. Dylan verlagerte sein Gewicht auf das gesunde Bein, drehte sich zu seinen Verfolgern um und hob beide Hände; keuchend rang er nach Atem. Ihm wurde bereits schwarz vor Augen, als einer der Männer auf ihn zurannte und mit dem Kolben seiner Muskete ausholte, um ihm einen Schlag ins Gesicht zu versetzen; reflexartig wehrte Dylan den Hieb ab. Komm schon, schlag mich entweder nieder oder gib es auf, dachte er noch, ehe der wütende Dragoner erneut ausholte, ihn an der Schläfe traf und er endgültig das Bewusstsein verlor.
17.
Der Ritt nach Fort William im Süden des Landes nahm fünf Tage in Anspruch. Dylan war in Ketten gelegt worden: schwere, eiserne, durch drei dicke Eisenglieder miteinander verbundene Handschellen umschlossen seine Gelenke und erschwerten ihm das Reiten beträchtlich. Captain Bedford, der seinen Gefangenen kaum einmal aus den Augen ließ, wurde von drei Dragonern begleitet. Unter normalen Umständen wären sie schneller vorangekommen, aber die englischen Pferde waren an das felsige Gelände nicht gewöhnt und gerieten häufig aus dem Tritt. Zum Essen und zum Schlafen wurde Dylan mit einer Hand an einen der Soldaten gekettet, die andere Hand blieb frei. Vielleicht wäre ihm die Flucht gelungen, wenn er im Vollbesitz seiner körperlichen Kräfte gewesen wäre und seinen Kettengenossen hätte mit sich schleifen können, aber sein linkes Bein war angeschwollen und schmerzte so heftig, dass er kaum laufen konnte, geschweige denn einen längeren Marsch durchgehalten hätte.
In der ersten Nacht schaffte er es, mit der freien Hand die Gamasche von seiner Wade zu lösen und die Wunde zu untersuchen. Die Kugel hatte das Fleisch direkt unterhalb der Haut durchschlagen und war auf der anderen Seite wieder ausgetreten. Die Verletzung blutete nicht mehr, aber der Muskel war steif geworden und machte jede Bewegung zur Qual.
Er hatte panische Angst, sich auch noch eine Infektion zuzuziehen, aber da man ihm nicht erlaubte, die Wunde zu säubern, wusste er nicht, ob er die Gamasche anlassen sollte oder nicht. Schließlich kam er zu dem Schluss, dass er eine Infektion ohnehin nicht verhindern konnte, also legte er die Gamasche wieder an, drehte aber die blutige Seite nach außen,
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