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Vogelfrei

Titel: Vogelfrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianne Lee
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ihn zum Führer zu haben.«
    »Wer wird deiner Meinung nach den Sieg davontragen?«
    Sie zuckte mit den Achseln. »Ich weiß es nicht, und es interessiert mich auch nicht.«
    Dylan grunzte, nahm seinen Wassereimer und kehrte zu den Baracken zurück.
    Am nächsten Tag berichtete ihm Sinann, dass Alasdair of Balhaldie zum neuen Clanoberhaupt gewählt worden sei und das Geld der Königin mit den anderen Anwärtern teilen werde. Während des nächsten Monats sah es so aus, als würde sich für den MacGregor-Clan nicht viel ändern und als könnten Robs Männer ungehindert damit fortfahren, Montrose das Leben schwer zu machen.
    Bald war Dylan auch mit den Einzelheiten von Robs >Schutzsystem< bestens vertraut. Es bestand im Wesentlichen darin, den Landbesitzern, die verhindern wollten, dass ihnen ihr Vieh gestohlen wurde, eine Art Schutzgebühr abzuverlangen. Diese Vorgehensweise wurde Erpressung genannt, wobei dem Begriff jedoch nicht der negative Beigeschmack anhaftete, den er drei Jahrhunderte später erlangen sollte, denn im Gegensatz zur amerikanischen Schutzgeldmafia übernahmen hier die Männer, die die Gelder kassierten, zugleich die Garantie für die Sicherheit des Viehs. Wenn einem unter Robs Schutz stehenden Gutsbesitzer Rinder gestohlen wurden, machten sich Rob und seine Leute an die Verfolgung der Diebe und brachten entweder die Herde zu ihrem Besitzer zurück oder leisteten Wiedergutmachung. Zweimal in diesem Sommer begleitete Dylan seinen Arbeitgeber auf der Suche nach gestohlenem Vieh, und jedes Mal gelang es ihnen, die Tiere vollzählig aufzuspüren und ihrem rechtmäßigen Besitzer zu übergeben.
    Dann wurde ein neuer Raubzug geplant. Diesmal trafen sich die Männer aus Robs engster Umgebung mit einigen von denen, die in anderen Teilen des Campbell-Territoriums hausten, und gemeinsam überfielen sie eines von Montroses Landgütern, das in der Nähe von Stirling lag. Nach Dylans Schätzung erbeuteten sie ungefähr hundert Stück Vieh und trieben die Tiere ins Hochland, wo die Herde geteilt und versteckt wurde.
    Diese Unternehmungen waren zwar längst nicht so aufregend wie Straßenräuberei, dafür aber etwas weniger gefährlich. Dank der sorgfältigen Planung von Rob und seinen Vertrauensmännern wie Alasdair Roy gelang es ihnen stets, ihren Verfolgern einen Schritt voraus zu bleiben.
    An einem Tag im Hochsommer kam ein junger Bote auf Robs Haus zugaloppiert und schrie schon von weitem etwas Unverständliches; vor der Tür sprang er von seinem Pferd, um seine Botschaft zu verkünden. Die Männer kamen aus den Baracken herbeigerannt, und auch Rob und seine Familie stürzten aus dem Haus, um den Nachrichten mit offenem Mund zu lauschen. Selbst Dylan ließen die Neuigkeiten nicht kalt, obwohl er schon lange vorher gewusst hatte, was jetzt eingetreten war: Königin Anne war letzte Woche gestorben.
    Er eilte zum Brunnen, um sich mit Sinann zu besprechen. Die Fee erschien und sah ihn aus großen, ängstlichen Augen an. »Ich habe es dir doch gesagt, Tink«, empfing er sie vorwurfsvoll.
    »Ja, ich weiß.«
    »Ich kann den Lauf der Geschichte nicht ändern. Jetzt wird George von Hannover den Thron besteigen, ein schwacher, vollkommen unbedarfter Mann ohne jedes Durchsetzungsvermögen. Die Jakobiten werden sich die nächsten dreißig Jahre lang immer wieder gegen ihn auflehnen, weil er den jakobitischen Lairds keine andere Wahl lässt. Und da er ein unfähiger Herrscher ist, bilden sie sich ein, sie könnten den Kampf gewinnen. Viele Menschen werden deswegen sterben müssen.«
    Sinanns Augen blitzten zornig auf. »Und wie viele werden sterben, wenn wir keinen Widerstand leisten?«
    Dylan dachte an Fort William und an die Rotröcke, die ihn allein deswegen töten wollten, weil sie alle Schotten hassten, und schwieg.
    Im Laufe der nächsten Wochen gingen unzählige Männer in dem Steinhaus ein und aus; fast täglich fand dort eine Versammlung statt. Ein weiterer Raubzug wurde ausge-führt, diesmal in der Gegend von Kippen, was näher an ihrem Quartier lag als Stirling. Rob beteiligte sich nicht daran, sondern überließ Alasdair Roy das Kommando. Die beiden ältesten von Robs vier Söhnen, James und Coll, begleiteten sie ebenfalls. Für Coll war es der erste Uberfall, den er mitmachen durfte. Seine kleineren Brüder Ronald und Duncan waren noch zu jung, um an einem solchen Unternehmen teilzunehmen, sie blieben bei ihrer Mutter in Glen Dochart. Dylan tat widerspruchslos, was ihm aufgetragen wurde, verdiente sich

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