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Vogelfrei

Titel: Vogelfrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianne Lee
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Jakobiten zu sympathisieren. Deswegen befürwortet und unterstützt die Krone jeden Versuch, seine Ländereien zu konfiszieren. Sie können ihm aber nichts nachweisen, sonst hätten sie ihn schon längst aufgeknüpft und ganz Glen Ciorram dem Erdboden gleichgemacht.«
    Endlich nahm Dylan ihre Anwesenheit zur Kenntnis. So leise wie möglich flüsterte er, wobei er sich den Anschein gab, in Gebete vertieft zu sein: »Ich dachte, Alasdair hätte das Land gehört, für das er gestorben ist.«
    Sinann zuckte mit den Achseln. »Es stimmt, dass viele Männer jetzt ihr eigenes Stück Land bewirtschaften. Aber Alasdair war ein Matheson, ein treuer Gefolgsmann seines Lairds Iain Mór, und wenn man ihm sein Land nimmt, dann ist es so, als würde man Iain selbst ein Stück Land rauben. Jeder Mann hier hätte für diesen Grund und Boden gekämpft und wäre dafür gestorben, denn jeder profitiert von dem Wohlstand des anderen. Wird einem Mitglied des Clans Böses getan, so leiden alle. Wird einer von ihnen ermordet, dann trauern alle so um ihn, als wäre es ihr eigener Bruder gewesen. Du solltest das doch verstehen, schließlich bist du selbst ein Matheson.«
    Dylan dachte an seine Verwandtschaft daheim in den Staaten, die auch heute noch diese Art von übersteigertem Familiensinn pflegte, der früher zu Blutfehden geführt hatte und sich heute in hässlichen Kleinkriegen äußerte. Er sagte nichts dazu.
    Sinann, die sich von seiner abweisenden Miene nicht beeindrucken ließ, fuhr ungerührt fort: »Selbst du wirst doch wissen, was damals in Glencoe geschah?«
    Achselzuckend nickte er. Von dem Massaker in Glencoe hatte er in der Tat schon gehört, kannte jedoch die näheren Umstände nicht.
    Die Fee klärte ihn bereitwillig auf. »Ungefähr vor zwanzig Jahren entsandte der verräterische Hurensohn John Dalrymple, der unter William III. als schottischer Staatssekretär diente, eine Truppe von Anhängern des Königs, die sich aus ebenso verräterischen Campbells zusammensetzte, zu den MacDonalds von Glencoe. Zwei Wochen lang nahmen sie deren Gastfreundschaft in Anspruch, mitten im tiefsten Winter, als die Vorräte allmählich zur Neige gingen. Obwohl die MacDonalds bei der Krone schlecht angeschrieben waren, hatte ihr Laird vor kurzem dem König den Treueeid geleistet, und der Clan betrachtete die Ankunft der Soldaten als versöhnliche Geste. Doch dann erhoben sich diese eines Tages von ihren Lagerstätten, griffen ihre vollkommen überrumpelten Gastgeber an und schlachteten sie erbarmungslos ab - als Warnung für die anderen Clans, die von den Engländern als Gesetzlose bezeichnet wurden. Männer, Frauen und Kinder wurden niedergemetzelt wie die Schafe. Und da wagen die Engländer es, uns Barbaren zu nennen! Sie werden nicht ruhen, bis sie uns alle ausgelöscht haben, denn für sie sind wir keine Menschen.«
    Dylan schielte aus den Augenwinkeln zu Sinann hinüber und erschrak, als er die nackte Wut in ihrem Gesicht sah. Ihre Wangen leuchteten hochrot, ihre Augen glänzten wie im Fieber. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Sogar wenn er eine Begründung dafür gefunden hätte, dass er während einer Beerdigung mit sich selbst redete, wären ihm keine tröstlichen Worte eingefallen, denn bei dem Massaker hatte es sich zweifellos um eine verabscheu-ungswürdige Tat gehandelt. Aber was sollte er nun unternehmen? Er konnte weitere Blutbäder nicht verhindern, er war nur ein einzelner Mann.
    Also schwieg er und blickte erneut zu der blonden jungen Frau hinüber. Ihre Schönheit faszinierte ihn, obwohl ihre Augen und Nase vom Weinen gerötet waren. Wenn sie nicht Iains Frau war, wer dann? Wohl wissend, dass die uneingeschränkte Aufmerksamkeit des Clans dem Leichnam galt, betrachtete Dylan sie lange und überlegte, wer sie wohl war und wie er sich ihr nähern konnte.
    Da er nun zumindest nach außen hin als Clanangehöriger und vor allem als zusätzliche Arbeitskraft akzeptiert worden war, hatte man Dylan ein Lager in einer barrackenähn-lichen Unterkunft über den Ställen zugewiesen, in der außer ihm noch neun andere Männer untergebracht waren. Sie schliefen auf übereinander befestigten Pritschen, die bis zur Decke reichten. Der Raum war feucht, hatte keine Fenster - die einzige Lichtquelle waren ein paar Kerzen auf dem Tisch -, und durch die Ritzen im Holzfußboden drang der Gestank von Pferdemist herauf.
    Die Dylan zugeteilte Pritsche wies am Kopfteil seltsame Einkerbungen auf. Sie ergaben ein bestimmtes Zahlenmuster, das er

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