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Vogelfrei

Titel: Vogelfrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianne Lee
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machen, und benutzte gleichfalls seine Finger. Ein paar barfüßige, in Miniaturkilts gekleidete Kinder starrten ihn unverwandt an, bis er eine Grimasse schnitt, woraufhin sie kichernd davonliefen; trotz seiner Müdigkeit musste er unwillkürlich lächeln.
    Er wandte sich an die gleichfalls mit gekreuzten Beinen neben ihm sitzende Fee. »Du heißt also Sinann Eire. Das bedeutet doch >aus Irland stammende nicht wahr?« Er biss in sein Fleischstück, das überraschend zart war. Zweimal musste er hinschauen, um sich zu vergewissern, dass es sich wirklich um Rindfleisch und nicht etwa um Geflügel handelte.
    »Aye«, erwiderte sie.
    Er schluckte den Happen zu hastig hinunter und musste husten. »Aber wir sind hier nicht in Irland. Wieso bezeichnest du diese Leute dann als dein Volk?« Er trank einen Schluck Ale und biss erneut in sein Fleisch.
    Sinann hob herausfordernd das Kinn. »Zwischen den Iren und den Hochlandschotten besteht gar kein so großer Unterschied, musst du wissen. Wir sprechen beinahe dieselbe Sprache, und der Nordkanal ist nicht so breit, dass man ihn nicht bequem überqueren könnte. In den alten Tagen, noch vor der Herrschaft Kenneth MacAlpines, des ersten schottischen Königs, war es Sitte, dass irische Familien ihre Söhne in Alba erziehen ließen und die Schotten diese Ehre mit Gleichem vergolten.«
    Dylan nickte. »Ja, ich weiß. Und wieso bist du nicht mehr in Irland?«
    »Sie halten mich dort für tot. Und sie haben einen Fluss nach mir benannt.«
    »Den Shannon.«
    »Aye. Du bist nicht ganz so dumm, wie du aussiehst, mein Freund.«
    Dylan seufzte. »Entschuldige bitte meine Neugier ...«
    Einer der in seiner Nähe sitzenden Männer warf ihm einen verwunderten Blick zu, also senkte er den Kopf, dämpfte seine Stimme und starrte in seinen Alebecher, als er fortfuhr: »Aber was tust du hier in Schottland?«
    Sie holte tief Luft. »Ich werde dir erzählen, wie alles gekommen ist, und glaub mir, ich sage die Wahrheit. Einst ließen irische Druiden im Herzen der Grünen Insel eine kristallklare Quelle entspringen. Drum herum pflanzten sie sieben Bäume, deren Früchte all das Wissen der Tuatha de Danann enthielten. Haselnüsse waren es, große, dicke Haselnüsse.«
    »Haselnüsse?«
    »Ich liebe Haselnüsse.«
    »Du liebst aber auch die Macht, stimmt's?«
    Sie verzog unwillig den Mund, setzte dann aber ihre Geschichte fort. »Nun, langer Rede kurzer Sinn ... ich pflückte eine dieser Nüsse und ...«
    »Und das hättest du nicht tun dürfen.«
    »Woher sollte ich wissen, dass es verboten war?«
    »Baum der Erkenntnis, verbotene Früchte ... kommt mir bekannt vor.«
    Sinann runzelte die Stirn und gab einen abfälligen Laut von sich. »Jedenfalls schwoll die Quelle daraufhin zu einer mächtigen Flutwelle an, die mich fortspülte. Das Wasser dieser Quelle bildete einen großen Fluss, der auch heute noch ins Meer mündet.«
    »Und so hat man angenommen, du seist ertrunken.«
    Die Fee lachte. »Genau. Ich, die Enkelin des Meeresgottes Lir - und ertrinken! Nein, ich verwandelte mich in einen Lachs und schwamm gen Norden, bis ich Alba erreichte, das ihr Schottland nennt. Ich schwamm den Sound of Sleat entlang bis zum Loch Alsh. Dort ging ich an Land und habe seitdem unter den Mathesons gelebt. Wie ich schon sagte, die Schotten haben mit den Iren viel gemeinsam, es ist nur der Tieflandabschaum, der ...«
    »Also hältst du dir die Mathesons sozusagen als Schoßhündchen?«, unterbrach Dylan.
    Sinann runzelte die Stirn; ihre leicht schräg stehenden Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. »Ganz und gar nicht. Aber das geht wohl über dein Begriffsvermögen, du bist ja ein Fremder hier. Ich schlage vor, du nimmst das, was du nicht verstehst, einfach hin, ohne dumme Fragen zu stellen.«
    Dylan grunzte nur und verfiel in Schweigen, während er den Rest seiner Mahlzeit verzehrte.
    Nach einer Weile sprach Sinann weiter, als wenn nichts gewesen wäre. »Es war ein MacMhathain, der mich in seinem Netz gefangen hat.«
    »Ach, wir sind also immer noch bei der Flucht-nachAlba-Geschichte?«
    Sie ging auf die höhnische Bemerkung nicht ein. »Ich verfing mich in seinem Netz, und als er mich ins Boot zog, musste ich mich in mein ursprüngliches Selbst zurückverwandeln und hätte mich in dem Netz fast selbst erwürgt. Nun, du kannst dir den Schrecken vorstellen, den der arme Mann bekam, als er sah, was er da gefischt hatte. Er schnitt sofort das Netz auf, aber ich war bereits dem Tode nah. Flugs brachte er mich dann

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