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Vogelfrei

Titel: Vogelfrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianne Lee
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erkannte er, dass ein verwesender, von Fliegen umschwirrter Kadaver vor ihm lag. Er sprang auf, wich ein Stück zurück und hielt sich eine Hand vor Mund und Nase, um den entsetzlichen Gestank zu mildern. Sinann nickte ihm zu. »Siehst du? Nichts kann je wieder so werden, wie es einmal war. Nichts kann wieder vollständig rückgängig gemacht werden. Diese Macht ist mir abhanden gekommen.«
    Dylans Magen krampfte sich zusammen, als er die volle Bedeutung ihrer Worte erkannte. »Du kannst mich also gar nicht mehr nach Hause schicken!«
    Sinann flatterte auf und landete auf einem Steinblock, von dem aus sie ihm in die Augen blicken konnte. »Es wird Zeit, dass du ein paar Dinge lernst, mein Freund.« Ein weiteres Winken verwandelte den Kadaver in ein ausgebleichtes Gerippe, und nach einer letzten Handbewegung war es verschwunden.
    Dylan war nicht in der Stimmung für ihre Tricks. »Was denn zum Beispiel?«
    »Zuallererst musst du Gälisch lernen. Du wirst nie ein richtiges Clanmitglied werden, wenn du die Sprache deines Volkes nicht beherrschst. Und dann solltest du dich mit den Alten Zünften befassen. So gewinnst du die Macht, die du brauchst, um ...«
    »Warte mal eine Sekunde. Sprichst du von Zauberei? Von Hexenkünsten?«
    »Aye. Wenn du weißt, welche Kräfte in all den Dingen stecken, von denen du umgeben bist, dann kann kein Mensch mehr ...«
    »O nein.« Dylan hob abwehrend die Hand. »Kommt nicht infrage. Damit will ich nichts zu tun haben.« Er trat ein paar Schritte zurück.
    Sie flatterte die Stufen hoch und blickte nun auf ihn herab. »Und warum nicht, wenn ich fragen darf?«
    Er drehte sich um und sah sie an. »Ich glaube nicht an Zauberei und übernatürliche Kräfte.«
    »Du sollst nicht daran glauben, du sollst lernen, wie man sich gewisse Dinge zu Nutze macht.«
    »Nein.«
    »Wenn du meine Leute retten willst...«
    Jetzt fing sie schon wieder mit diesem leidigen Thema an! »Kapier's doch endlich, Tink! Ich werde niemanden retten. Die Schotten sind nicht zu retten. Die Geschichte belegt, dass sie von den Engländern besiegt und ihre Unabhängigkeit nie wiedererlangen werden. Weder du noch ich, noch sonst wer können irgendetwas daran ändern. Du hast mich für nichts und wieder nichts aus meiner Zeit... nein, aus meinem Leben herausgerissen!«
    Er wandte sich ab und wollte das kleine Tal verlassen, doch sie bemerkte drohend: »Würde es dir wirklich gefallen, mit lauter dicken schwarzen Warzen im Gesicht herumzulaufen?«
    Dylan blieb wie angewurzelt stehen. Sie funkelte ihn böse an, und er starrte ebenso finster zurück. Er wollte nach Hause, aber vorher wollte er ihr den Hals umdrehen, weil sie ihn hierher verschleppt hatte. Eine Weile duellierten sie sich wortlos mit Blicken.
    Endlich fragte er müde: »Was ist nur los mit dir? Warum kannst du dem Schicksal nicht einfach seinen Lauf lassen?«
    Sinann schlug die Augen nieder, dann ließ sie den Blick über die verfallenen Mauern wandern. Nach einer Weile sagte sie mit weicher Stimme: »Donnchadh pflegte oft hierher zu kommen.« Ihre Augen umwölkten sich, und Dylan stellte erstaunt fest, dass ihr Tränen über die Wangen liefen. »Er liebte dieses Fleckchen Erde. Es war so friedlich hier, so weit weg von den Engländern und den diebischen MacDonells. Er hasste die Engländer aus tiefster Seele, nie hat ein Highländer die Rotröcke erbitterter und tapferer bekämpft als er, und als er starb ...« Ihre Stimme brach, sie schwieg einen Moment, und als sie sich wieder gefasst hatte, fuhr sie leise fort: »Er starb mit meinem Namen auf den Lippen.«
    »War Donnchadh ein Elf?«
    Sie schüttelte den Kopf und starrte zu Boden. »Er war ein Matheson, Iains Vater. Aber er liebte mich, und ich liebte ihn. Mehr als irgendetwas sonst in meinem langen, wertlosen Leben.«
    »Dann sind Iain und seine Brüder also ...«
    Ihr Kopf flog hoch; ihre Augen flammten zornig auf. »Wage es nicht, sein Andenken mit deinen schmutzigen Gedanken zu besudeln!« Sie richtete sich kerzengerade auf, stemmte die Hände in die Hüften und funkelte Dylan böse an. »Die Liebe des Körpers und die des Geistes sind zwei ganz verschiedene Dinge und sollten nicht unbedacht einander gleichgesetzt werden.«
    Dylan trat einen Schritt zurück. Er hätte nie gedacht, dass sie so heftig werden könnte. »Tut mir Leid, es war nicht so gemeint.«
    Doch so leicht war sie nicht zu beruhigen. Eine Weile brummte sie verärgert vor sich hin und beschwor finsterste Verwünschungen auf die Häupter

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