Vogelfrei
angestrengt überlegte. Er hatte diese Worte schon öfter gehört. A'dol ... gehen. Haus. »Ich gehe zu dem Haus.«
»Aye. Sehr gut. Glè mhath!«
»Ich sehe wirklich nicht ein, warum ich dieses Kauderwelsch lernen soll. Fast jeder in der Burg spricht Englisch.«
Sinann sah aus, als läge ihr eine bösartige Bemerkung auf der Zunge, aber sie beherrschte sich und sagte nur ruhig: »Überleg doch einmal, wie sich deine Angebetete freuen wird, wenn du dich mit ihr in ihrer Muttersprache unterhalten kannst.«
Das warf natürlich ein ganz neues Licht auf die Angelegenheit. Dylan setzte sich ins Gras und hörte aufmerksam zu, wie Sinann die gälischen Begriffe übersetzte, die er den ganzen Monat über dauernd gehört hatte. Je länger dieser Unterricht dauerte, desto stärker begann die Sprache Dylan zu faszinieren. Bald begriff er nicht mehr, warum er nie zuvor die Geduld aufgebracht hatte, sich mit ihr zu beschäftigen.
Verblüfft stellte er fest, dass das Gälische in mancher Hinsicht gewisse Ähnlichkeit mit dem in Tennessee gesprochenen Dialekt hatte, was ihm das Lernen erleichterte. Teilweise kam es ihm so vor, als erinnere er sich an etwas, was tief in seinem Gedächtnis ruhte und nur darauf wartete, wieder zum Leben erweckt zu werden.
Die Sonne ging schon unter, als Dylan endlich beschloss, zur Burg zurückzukehren. Fröstelnd schlang er sich das Plaid um die nackten Schultern und ließ sich von Sinann den Weg weisen. Sein Kopf schwirrte vor all den gälischen Worten, und er wurde von widersprüchlichen Gefühlen geplagt. Es behagte ihm nicht, zugeben zu müssen, dass ihm diese Zeit und dieses Land nicht ganz so fremd waren, wie er zunächst gedacht hatte.
Der Mond stand bereits am Himmel, als er zu seiner Unterkunft zurückkam. Seine Hemden lagen frisch gewaschen auf seiner Pritsche. Zähneklappernd zog er beide an und wollte sich gerade auf seinem Lager ausstrecken, als Malcolm den langen, düsteren Raum betrat.
»A Dhilein.« Jetzt wusste er auch, dass dies die gälische Anredeform seines Namens war.
Ohne zu zögern, erwiderte er: »A Chaluim.«
Malcolm kicherte, dann sagte er auf Englisch: »Pack deine Sachen zusammen. Du sollst uns begleiten.«
»Wie bitte? Euch begleiten? Wen denn, und wohin?«
»Das wirst du unterwegs schon herausfinden. Also mach dich fertig.«
»Ich bin fertig.«
»Aber du wirst deinen sgian dubh brauchen.«
Dylan tastete nach dem unter seinen Arm geschnallten Messer. Das, die Tasche an seinem Gürtel und die Kleider, die er am Leibe trug, war alles, was er besaß. »Dann lass uns gehen.«
7.
Malcolm gab ihm mit gedämpfter Stimme die notwendigen Erklärungen, als sie die Holztreppe zum inneren Burghof hinabstiegen. »Gerade ist ein Bote aus Killilan eingetroffen. Er hat berichtet, dass Deirdre MacKenzie, die Schwägerin unseres Lairds, kurz vor der Niederkunft steht. Es soll nicht gut aussehen.« Niederkunft? Dylan suchte in seinem Wortschatz nach diesem veralteten Begriff, konnte aber im Moment nichts damit anfangen. Malcolm fuhr fort: »Sie möchte ihre Schwester und ihre Nichte sehen. Wir werden die beiden Frauen zu ihr bringen.« Dylan schloss daraus, dass Mrs. MacKenzie krank war.
Im inneren Burghof standen fertig gesattelte und aufgezäumte Pferde bereit; Caitrionagh und ihre Mutter Una warteten schon. Caitrionaghs Anblick verschlug Dylan fast den Atem. Sie saß sehr gerade auf ihrem Pferd, zog einen Umhang fest um sich, und ir ihren Augen stand deutlich die Angst um ihre Tante geschrieben.
Von irgendwoher kam Sarah herbeigeeilt und ergriff seine Hände. »Sei vorsichtig«, bat sie eindringlich.
Überrascht stammelte Dylan, er werde Augen und Ohren offen halten. Sarah lächelte ihn an und drückte noch einmal seine Hände, dann trat sie zur Seite, um ihn vorbeizulassen.
Er warf ihr einen forschenden Blick zu. Ihre Augen leuchteten; eine Gefühlswallung loderte darin, die er nicht verstand und die ihm ganz und gar nicht gefiel. Hatte Si-nann, was sie betraf, Recht gehabt? Unwillig schüttelte er den Gedanken ab, Sarah könne in ihn verliebt sein. Er erschien ihm zu ... beängstigend.
Malcolm schwang sich auf sein Pferd und überließ es Dylan, mit einem Tier fertig zu werden, von dem er sicher war, dass es ihn bei der erstbesten Gelegenheit umbringen würde. Das riesige Ungeheuer begann sofort nervös zu tänzeln, als Dylan sich ihm näherte. Dieser hatte noch nie zuvor auf einem Pferd gesessen, wenn man einmal von dem Pony absah, auf dem seine Mutter ihn
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