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Vogelfrei

Titel: Vogelfrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianne Lee
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die Stimme. »Donnchadh ist also nicht sofort an seiner Verwundung gestorben. Warum hast du ihn nicht geheilt? Reichte deine Macht dazu nicht aus?«
    Sie verzog kummervoll das Gesicht. »Nein, es gelang mir nicht, ihn zu retten. Ich hätte alles dafür gegeben, seine Wunde heilen zu können, denn dann wäre er heute noch am Leben. Aber sogar als ich noch auf der Höhe meiner Macht war, hätte meine Kraft nicht ausgereicht, um einen todwunden Mann gesund zu machen, und wenn ich mich noch so sehr bemüht hätte. Als er im Sterben lag, rief er nach mir. Der englische Lieutenant machte sich über ihn lustig, er verspottete ihn als einen abergläubischen Barbaren. Ich versuchte, ihn mit einem Blitz zu erschlagen, erreichte aber nur, dass ihm alle Knöpfe von seinem Rock sprangen.«
    Dylan verbiss sich ein Lachen, als er sich die Szene bildlich vorstellte. Auch um Sinanns Mundwinkel zuckte es verräterisch. »Aye, es war schon ein herrlicher Anblick. Und das Spiel hielt noch ein paar Tage an, er brauchte Nadel und Faden erst gar nicht aus der Hand zu legen.« Sie wurde wieder ernst. »Aber er hätte den Tod verdient gehabt. Der Clan musste in jenem Winter Hunger leiden, nur damit sich die englischen Schweine satt fressen konnten. Viele Kinder starben. Donnchadh wurde getötet, weil er sich zurückholen wollte, was von Rechts wegen ihm gehörte, und deshalb soll Bedford eines langsamen und qualvollen Todes sterben, er und jeder andere Sassunach, der über ein Land herrschen will, das nicht das seine ist.«
    »Also deswegen hasst du die Engländer so sehr. Weil sie Donnchadh umgebracht haben.«
    Wieder loderten ihre Augen zornig auf. »Ein echter Schotte braucht keinen Grund, um die Rotröcke zu hassen. Für sie sind unsere Leute geringer als Ungeziefer. Wir leben auf dem Land, das sie gerne an sich reißen würden, deshalb tun sie alles, um uns zu vertreiben oder zu vernichten. Sie haben hilflose Kinder abgeschlachtet und junge Frauen geraubt. Die Männer, die sie nicht töten, schicken sie über den Ozean in die Kolonien.« Sie kann ja nicht wissen, dass fünfzig Jahre später viele freiwillig auswandern werden, dachte Dylan bei sich. Sinann wütete weiter: »Verstehst du, dass wir die Engländer bekämpfen müssen, wo wir nur können? Tun wir das nicht, werden sie uns endgültig unterjochen.«
    »Aber du führst auch noch einen persönlichen Rachefeldzug gegen Bedford, nicht wahr?«
    Sie seufzte. »Aye, zwischen uns herrscht Krieg.« Und als ob damit alles gesagt wäre, sah sie ihn an und sagte: »So, und nun wollen wir uns wichtigeren Dingen zuwenden.«
    »O nein. Keine Zauberkunststückchen. Ich habe keine Lust, deinetwegen auf dem Scheiterhaufen zu enden, vielen Dank.« Zu Beginn des Jahrhunderts hatten die Hexenjagden merklich nachgelassen, aber Dylan wusste, dass noch einige Jahre lang Hinrichtungen durchgeführt werden würden, und er hatte keine Lust, zu den letzten Opfern zu gehören. »Abgesehen davon glaube ich nicht an Zauberei.«
    »Du glaubst doch an mich.«
    »Notgedrungen. Ich weiß zum Beispiel, dass du eine furchtbare Nervensäge bist.«
    Ihre Augen wurden schmal. »Es liegt an deinem Glauben, nicht wahr? Du hältst mich wohl für einen Spross des Teufels?«
    Dylan dachte einen Moment lang darüber nach. »Nein, ich glaube schon, dass du wirklich die bist, die du zu sein vorgibst.«
    »Und bist du der Meinung, dass angebliche Hexen den Tod auf dem Scheiterhaufen verdient haben?«
    Die Frage war leicht zu beantworten. »Nein.«
    »Letzten Sonntag hast du die Messe besucht und dich bekreuzigt. Meinst du, man sollte dich bestrafen, weil du ein gläubiger Katholik bist?«
    Noch einfacher. Dylan lachte nervös auf. »Ganz bestimmt nicht.«
    »Und warum weigerst du dich dann ...«
    »Nein. Ich sagte, ich will mit Zauberei nichts zu tun haben, und dabei bleibt es.«
    »Aber ...«
    »Nein!«
    Sie funkelte ihn böse an und gab dann so plötzlich nach, dass Dylan argwöhnisch wurde. Er nahm ihr nicht ab, dass in dieser Angelegenheit das letzte Wort gesprochen war. »Nun gut. Aber du hast doch sicherlich keine moralischen Bedenken, die Sprache deiner Vorfahren zu lernen, oder? Wir wollen einmal sehen, wie viel Gälisch du inzwischen aufgeschnappt hast.«
    »Überhaupt nichts.«
    »Du hast mehr gelernt, als du ahnst, mein Freund. Was heißt zum Beispiel tigh?«
    Dylan forschte in seinem Gedächtnis. Hatte nicht Sinann die Burg so genannt? »Haus.«
    »Tha tni a'dol dhan tigh.«
    Er runzelte die Stirn, während er

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