Vogelfrei
schon bald gebot Dylan der Fee mit erhobener Hand Schweigen und versuchte, sich selbst auf Gälisch verständlich zu machen. Anfangs ging es nur stockend, aber Malcolm, William und die beiden Alexanders bewiesen viel Geduld und schienen sich über seine Bemühungen aufrichtig zu freuen. Sie sprachen etwas langsamer als sonst, und wenn Dylan ein gälisches Wort wiederholte, klärte ihn Malcolm über die englische Bedeutung auf. Noch immer verstand Dylan längst nicht alles, konnte aber der Unterhaltung wenigstens in groben Zügen folgen, ohne Kopfschmerzen zu bekommen.
An einem Abend wurde über Politik gesprochen. Diesmal wirkten die Gesichter der Männer in der raucherfüllten Luft und dem schwachen Licht auffallend ernst. William, der sich eine kleine Pfeife stopfte, verteidigte die gegenwärtige Königin mit dem Argument, sie sei schließlich die leibliche Tochter James II. Dies rief bei Ailig Og und seinem Schwiegervater nur ein verächtliches Schnauben hervor. Beide erklärten übereinstimmend, dass Annes Halbbruder einen stärkeren Anspruch auf den Thron habe, immerhin sei er ein Mann und der leibliche Sohn von James II. William schüttelte nur den Kopf, hielt einen Kiefernspan ins Feuer, zündete damit seine Pfeife an und trat den Span wieder aus, sobald der Tabak brannte.
Dylan schloss aus der ganzen Diskussion, dass wieder einmal die Religionsfrage der wahre Grund für alle Streitigkeiten war. Anne war auf den Thron gekommen, nachdem ihre Schwester Mary II. und ihr Schwager William III. kinderlos gestorben waren. Dylan nahm an, dass nach der erzwungenen Abdankung von James II. Anne nur deshalb Königin geworden war - im Widerspruch zu allen Regeln der Thronfolge -, weil sie Protestantin war, ihr Bruder James dagegen wie sein entthronter Vater überzeugter Katholik, woraus er auch kein Hehl machte. Ihr Onkel Charles II. hatte sich öffentlich zum Protestantismus bekannt, war aber im Herzen Katholik geblieben, doch James weigerte sich, zu einem solchen Täuschungsmanöver Zuflucht zu nehmen. Das katholische Frankreich machte sich zwar lauthals für ihn stark, war aber durch zu viele Verträge an England gebunden, als dass es einen be-waffneten Aufstand unterstützt hätte, um ihn auf den Thron zu bringen.
Dann wurden Spekulationen darüber laut, wer wohl Anne auf den Thron folgen würde. Keines ihrer siebzehn Kinder war mehr am Leben.
»Sie hatte nur vierzehn Kinder«, behauptete Ailig Og.
»Nein, siebzehn«, beharrte William.
»Viele Kinder. Zu viele«, bemerkte Dylan.
Die anderen stimmten ihm zu und ließen das Thema fallen. Ailig Og schlug vor, James solle laut Regeln der Thronfolge zum König gekrönt werden, falls er Anne überlebte.
Dylan widersprach: »Nicht James nächster König. George von Hannover.«
Die anderen vier Männer verstummten und starrten ihn an. Hätte Dylan nicht genau gewusst, dass er Recht hatte, wäre er sich jetzt wohl wie ein Narr vorgekommen. Malcolm hakte nach: »George von Hannover?«
Dylan musste ins Englische verfallen, und Malcolm übersetzte. »Der Kurfürst von Hannover, Urenkel von James I. von England; Enkel seiner Tochter Elizabeth.«
Das rief schallendes Gelächter hervor, und sogar Malcolm musste lächeln. William erklärte die Idee für unsinnig, und Ailig Og tätschelte Malcolms offensichtlich übergeschnapptem Vetter aus den Kolonien herablassend den Kopf. Dylan zuckte nur mit den Achseln und sagte auf Gä-lisch: »Ihr werdet schon sehen.« Und zwar ziemlich bald.
Am Ende der Woche begleiteten Malcolm und Dylan Caitrionagh nach Ciorram zurück. Lady Matheson wollte noch bleiben, ihr Schwager würde sie später zurückbringen. Sie brachen schon früh am Morgen auf, um den Ritt an einem Tag zu schaffen.
Am frühen Abend trafen sie in Tigh a'Mhadaidh Bhàin ein. Das Abendessen war gerade vorbei, und der Clan versammelte sich in der Halle. Die drei Heimkehrer wurden begrüßt, bekamen rasch eine Mahlzeit vorgesetzt und mussten dann berichten, was es in Killilan Neues gab. Immer mehr Menschen aus dem Tal fanden sich ein; weitere Kerzen und Fackeln wurden angezündet, als sich der Raum allmählich füllte. Dylan saß an einem Tisch, aß schweigend, lauschte dem gälischen Geplapper und entdeckte auf einmal Malcolm mit Iain Mór in einer dunklen Ecke; sie schienen in ein ernstes Gespräch vertieft zu sein. Als sie zu den anderen zurückkehrten, wunderte Dylan sich nicht sonderlich, als sich die Unterhaltung dem Kampf zuwandte, in dem er sein Schwert erbeutet
Weitere Kostenlose Bücher