Vogelfrei
Punkt dulde ich keinen Widerspruch, Tochter!«
Caitrionagh erwiderte etwas auf Gälisch. Dylan nahm an, dass sie entweder Artair oder Coll als Leibwächter vorzog. jeden anderen, nur nicht ihn, wie es aussah. Die zwei fraglichen Onkel grinsten selbstgefällig. Artair öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch Iain schnitt ihm das Wort ab.
»Auch von dir möchte ich nichts hören, kleiner Bruder.« Er erhob sich. »Und du hältst dich ebenfalls aus der Sache heraus, Vetter«, sagte er zu Malcolm, der überhaupt keine Anstalten gemacht hatte, das Wort zu ergreifen. Sein Gesicht lief dunkelrot an, als er sich wutentbrannt wieder an seine Tochter wandte. »Cait...
Doch sie rannte schon quer durch die Halle zur Tür hinaus. Dylan stützte die Ellbogen auf die Knie, starrte in sein Ale und fragte sich, womit er das verdient hatte. Bedrücktes Schweigen machte sich in der Halle breit, nur Iain brummte zornig vor sich hin. Dylan senkte den Kopf und tat so, als wäre ihm diese deutliche Zurückweisung vollkommen gleichgültig, doch insgeheim ärgerte er sich darüber. Aber er wollte keinesfalls den Eindruck erwecken, als wäre ihm die Meinung des Mädchens über ihn wichtig.
Er nahm einen großen Schluck Ale, legte sich im Geist einige Worte zurecht und bat dann den alten Geschichtenerzähler auf Gälisch, etwas aus alten Zeiten zum Besten zu geben. Das löste die Spannung und zauberte ein Lächeln auf viele Gesichter, denn jeder hier hörte gern eine neue Geschichte - oder eine alte, wenn sie nur fesselnd genug erzählt wurde. Der alte Mann begann, von einem Kampf gegen die Wikinger zu berichten, und Dylan vermied es geflissentlich, zu der Tür hinüberzublicken, durch die Caitrionagh hinausgestürmt war.
An diesem Abend nahm er sein Schwert von dem Gestell an der Wand neben dem Haupttor und begab sich in seine neue Unterkunft, die ungefähr auf halber Höhe des Westturms lag. Er stieg die gewundene Treppe hinauf und fand eine wie ein schiefes Dreieck geformte Nische vor, die allerdings - im Gegensatz zu den anderen Räumlichkeiten dieser Art, die er bislang gesehen hatte - recht aufwändig möbliert war. An der rechten Wand stand eine niedrige Pritsche, auf der gegenüberliegenden Seite befand sich ein gemauerter Kamin, daneben stand eine eiserne Kiste voll getrockneter Torfstückchen; daran lehnte ein eiserner Schürhaken. Jemand hatte bereits ein kleines Feuer angefacht, das angenehme Wärme verbreitete.
Auf der Pritsche lagen eine Strohmatratze, ein Laken und eine Decke, darunter stand eine eisenbeschlagene Holztruhe - groß genug, um sein Schwert und auch noch alle anderen Habseligkeiten, die er vielleicht in diesem Jahrhundert zusammentragen würde, aufnehmen zu können. Neben dem Bett gab es einen Tisch mit Sockelfuß, darauf stand eine Kerze in einem kupfernen Halter. Dylan entzündete sie am Feuer, stellte sie auf den Tisch zurück und starrte dann die schwere, geschnitzte Tür zu Caitrionaghs Schlafkammer, die ganz am Ende der langen Nische stand, nachdenklich an.
Schließlich setzte er sich seufzend auf die Pritsche und blickte sich in seinem neuen Reich um. Viel Privatsphäre gab es hier nicht, stellte er fest. Jeder, der die spiralförmige Treppe herauf- oder herunterkam, konnte die gesamte Nische überblicken, die weder Tür noch Vorhang hatte. Aber immerhin war dies hier besser als sein Lager in der Gemeinschaftsunterkunft der Männer, wo der Kamin ganz am Ende des langen Raumes lag und die Bettwäsche nur aus seinem eigenen Kilt bestand. Hier konnte er zumindest seine Besitztümer in einer Truhe verstauen, hatte ein Feuer ganz für sich und nannte sogar Laken und Decke sein Eigen.
Wieder schaute er zu der Tür hinüber. Direkt dahinter hielt sich Caitrionagh auf, die aus irgendeinem Grund wütend auf ihn war, und er hatte keine Ahnung, warum eigentlich.
Doch dann zuckte er mit den Achseln. Was ging ihn das an? Immerhin hatte er jetzt sozusagen einen festen Job, und er würde sich nach Kräften bemühen, ihn auch zu behalten. Er kniete sich auf den Boden, um die Truhe unter seinem Bett hervorzuziehen, und klappte den Deckel auf. Darin fand er einen stark beschädigten Rosenkranz aus schwarzen Perlen, an dem ein schwarzes Kreuz mit einer silbernen Christusfigur hing, ein paar Kerzen - aus echtem Bienenwachs, wie es schien - und ein Buch mit englischen Gedichten, dessen Ledereinband an den Ecken abblätterte. Dylan löste das Kreuz von den Überresten des Rosenkranzes und schob es in seinen sporran.
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