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Vogelfrei

Titel: Vogelfrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianne Lee
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Loch im Strohdach ausgehobene Grube. Die kleinen, schmalen Fensterchen ließen kaum Licht in diese düstere, modrig riechende Hütte.
    Dylan, der noch immer mit seinem Kater kämpfte, spähte angestrengt in eine dunkle Ecke und sah Ailig Og mit hochgezogenem Hemd, dessen Zipfel zwischen seinen Knien baumelten, auf einem durch einen niedrigen Schemel erhöhten Holzeimer hocken; hastig wandte er den Blick ab. O nein, so weit war er noch nicht. Er raffte sich hoch, zupfte seinen Kilt zurecht und ging ins Freie, um einen Platz zu finden, wo er unbeobachtet seine Notdurft verrichten konnte.
    Als er sich bückte, um durch die niedrige Tür zu treten, erklang von oben ein silberhelles Stimmchen. »Da bist du ja!«
    Dylan drehte sich um und war nicht sonderlich überrascht, Sinann auf dem Strohdach kauern und an einem Stück Bannock knabbern zu sehen, das sie von dem Laib über der Tür abgebrochen hatte. »Hier bin ich«, stimmte er zu, sah sich suchend um und wünschte, es gäbe in Schottland wenigstens Plumpsklos. Dann wunderte er sich über sich selbst, weil er an Plumpsklos dachte statt an richtige Toiletten; von einer weiß gekachelten Toilette mit Wasserspülung und weichem Papier wagte er kaum noch zu träumen. Er schlenderte einen kleinen Abhang hinunter, wo ihn ein paar Bäume und dichtes Unterholz vor etwaigen Blicken schützen würden.
    »Ich habe dich gestern Morgen überall gesucht.« Sinann flatterte aufgeregt hinter ihm her.
    »Jetzt hast du mich ja gefunden. Was willst du?«
    Ohne auf seine Frage einzugehen, schimpfte sie weiter: »Ich wüsste gerne einmal, was du dir dabei gedacht hast, einfach so zu verschwinden. Überall habe ich nach dir Ausschau gehalten und musste schließlich sogar Ranald fragen, so verzweifelt war ich.«
    Dylan blieb stehen und sah sie finster an. »Was hast du denn geglaubt, wo ich sein könnte? Wieder zu Hause vielleicht?« Er spähte zwischen den weißen Birkenstämmen hindurch zum Haus hinüber und befand, dass zwischen ihm und dessen Bewohnern jetzt genug Bäume lagen.
    Sinann runzelte nur die Stirn. »Ausgerechnet mit Ranald musste ich reden! Alles nur deinetwegen!«
    »Reg dich ab, Tink. Ich gehe nirgendwohin, wie denn auch? Ich ...«
    Sinann unterbrach ihn, indem sie seine rechte Hand packte. »Wer hat das getan?«, japste sie.
    Dylan musterte seine Hand. Zwar sickerte noch ein wenig rötliche Flüssigkeit durch die Verbände, aber allzu schlimm sah das Ganze nicht mehr aus.
    Er zog die Hand weg. »Es gab einen Kampf. Drei Männer haben uns überfallen, und ich habe einen von ihnen getötet.«
    »Du? Du hast einen Mann getötet? Du wolltest deine Familie beschützen, nicht wahr?«
    Dylan nickte.
    Sinann strahlte ihn an. Sie sah aus, als würde sie vor Stolz fast platzen. »Das hast du gut gemacht. Ich wusste doch, dass du es in dir hast.« Dylan runzelte die Stirn. Er selbst hegte in diesem Punkt einige Zweifel. Die Fee fragte voller Begeisterung weiter: »War es ein Engländer? Bitte sag mir, dass du einen Engländer getötet hast!«
    Seufzend drehte Dylan sich um und hob seinen Kilt, ohne ihre Frage zu beantworten. »Du tauchst immer gerade dann auf, wenn ich nicht richtig angezogen bin. Warum eigentlich?«
    »Och, Freundchen, glaub mir, wenn ich dein bestes Stück sehen wollte, dann könnte ich mir jederzeit Gelegenheit dazu verschaffen.«
    Dylan grinste. »Das fürchte ich leider auch.«
    Sinanns Augen wurden schmal, und sie murmelte etwas in einer Sprache, die Dylan nicht verstand; Gälisch war es jedenfalls nicht. Dann winkte sie mit der Hand, und seine Gürtelschnalle sprang auf.
    Als er hastig danach griff, um zu verhindern, dass sein Kilt zu Boden fiel, glitt ihm das Plaid von den Schultern. Zwar bekam er es gerade noch zu fassen, aber dafür schlüpften die Knöpfe an seinem Hemd einer nach dem anderen von selbst durch ihre Löcher. Es gelang ihm, den Gürtel wieder um den Kilt zu schnallen, doch als er danach sein Hemd zuknöpfen wollte, löste sich der Gürtel erneut und fiel auf die Erde.
    Mittlerweile bog Sinann sich vor Lachen. Der gesamte feileadh mór folgte dem Gürtel nach, und Dylan blieb nur noch, sein Hemd, das ihm von den Schultern zu rutschen drohte, verzweifelt festzuhalten. Ihm war, als würde jemand von hinten mit aller Kraft daran zerren.
    »Schon gut, du hast gewonnen! Schluss damit, mir ist kalt.«
    Augenblicklich hörte das Gezerre auf, und er konnte sein Hemd ungestört zuknöpfen.
    Er bedachte Sinann mit einem Unheil verkündenden Blick, ehe

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