Vogelfrei
er sich an die umständliche Aufgabe machte, den feileadh mór wieder anzulegen. »Wieso machst du das nicht mit der gesamten englischen Armee auch so und verhilfst auf diese Weise deinen heiß geliebten Schotten zu ein paar Siegen?«
Ein zorniger Funke begann in ihren Augen zu tanzen. »Glaub mir, wenn ich die Macht dazu hätte, würde jeder Sassunach nördlich der Grenze ohne einen Faden am Leib herumlaufen. Aber leider kann ich solche Dinge nicht bewerkstelligen. Schade eigentlich, es wäre bestimmt äußerst unterhaltsam.«
»Ich dachte immer, die Frauen in diesem Jahrhundert wären fromm, keusch und bescheiden?«
Die Fee lachte. »Frauen sind Frauen; egal, welches Jahrhundert wir schreiben. Ich habe lange genug gelebt, um das bestätigen zu können.«
Dylan zog sich seinen Kilt um die Hüften und stand auf. »Hat Sarah mich deswegen mit den Augen fast aufgefressen, als ich Ciorram verließ?«
Eine lange, unbehagliche Pause entstand. Dylan wartete geduldig auf eine Antwort. Schließlich sagte Sinann: »Hat sie das denn?«
»Allerdings. Ich fand das ziemlich merkwürdig.« Er zupfte sein Plaid zurecht und zog es durch den Gürtel. »Vor einem Monat hat sie sich noch wegen ihres Mannes die Augen ausgeweint, und jetzt sieht sie mich an wie ein liebeskrankes Hündchen. Du weißt nicht zufällig mehr darüber?«
Wieder zögerte Sinann. »Nein, wie sollte ich?«
Dylan überlegte, ob er noch weiter nachbohren sollte, unterließ es aber und zuckte mit den Achseln. »Weiß nicht. Mir kommt das alles nur ziemlich komisch vor.« Er rückte seinen Gürtel zurecht und kehrte zum Haus der MacKen-zies zurück, ohne sich darum zu kümmern, ob Sinann ihm folgte oder nicht.
Eine Woche blieben sie in Killilan. Una und Caitrionagh verbrachten ihre Zeit zumeist mit Deirdre, während die Männer sich draußen nützlich machten. Sie schichteten die getrockneten Torfblöcke zu großen Stapeln auf, reparierten Werkzeuge und Hausgerät und saßen des Abends am Feuer und unterhielten sich. Die Frauen hielten an Deirdres Wochenbett Wache, nur einmal führten sie das Neugeborene kurz vor, damit die Männer es bewundern konnten. Una brachte den in eine Wolldecke gehüllten und in ein winziges Leinenhemdehen gekleideten Jungen zu Ailig Og, der ihn unsicher entgegennahm.
Die Männer scharten sich um den frisch gebackenen Vater, der sein Söhnchen so vorsichtig in den Armen hielt, als fürchte er, es könne ihm entgleiten und zu Boden fallen.
William machte einen Witz, den Dylan nicht verstand. Sinann, die neugierig herbeigeflattert kam, erklärte, er hätte gesagt, es sei ein großes Pech, dass der Kleine genauso aussähe wie sein Vater. Dylan kicherte, und alle anderen sahen ihn erstaunt an, weil er so schwer von Begriff war.
Der Kleine war ein richtiges Wunder, die perfekte Miniaturausgabe eines vollständigen Menschen. Dylan hatte bislang noch kein Neugeborenes gesehen und hätte es nie für möglich gehalten, dass ein so zartes Geschöpf überhaupt lebensfähig war. Aber es schien sich ausgesprochen wohl zu fühlen, atmete, krähte und verzog das Gesichtchen. Dylan fand den Kleinen faszinierend, wie ein Kunstwerk, das sich ständig verändert. Er hatte Kinder schon immer gemocht, was in seinem Beruf ein großer Vorteil war. Es gefiel ihm, wie sie alles begierig in sich aufnahmen, was er ihnen beibringen wollte, das machte für ihn den Beruf des Lehrers erst interessant.
Doch er nahm erst Kinder ab vier Jahren in seine Kurse auf, deshalb war dieser Winzling hier für ihn etwas ganz Neues.
Schon nach kurzer Zeit nahm Una Ailig Og das Kind fort und brachte es zur Mutter zurück, und die Männer setzten ihre Gespräche fort.
Dylan hatte noch nie erlebt, dass Menschen, die tagsüber so schweigsam ihrer Arbeit nachgingen, es fertig brachten, abends, nach Feierabend, fast pausenlos miteinander zu reden. Er hatte schon gelernt, dass diese abendlichen, oft mit Klatsch und Tratsch, Musik und Abenteuergeschichten verbundenen Zusammenkünfte ceilidh genannt wurden. Auch hier fand jeden Abend ein solcher ceilidh statt. Die Männer saßen auf Schemeln vor dem Feuer, ließen die Alekrüge kreisen und sprachen über Gott und die Welt, während die Flammen bisweilen unheimliche Schatten auf die Wände warfen.
Sinann hielt sich stets an Dylans Seite, um ihm als Übersetzerin dienen zu können. Nur Malcolm sprach genug Englisch, um sich mit Dylan verständigen zu können, also wurde die Unterhaltung ausschließlich auf Gälisch geführt. Doch
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